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Von der Kunst, man selbst zu sein

Eine Vielen fremde Leidenschaft des Ossis ist das Nacktbaden. Dieser Artikel richtet sich nun an all die, denen bis dato das Nudistentum völlig fremd ist und an alle, die noch nicht den Perfekten FKK-Strand für sich gefunden haben. Mit den besten FKK-Baggern für Neugierige und Wiederholungstäter, in und um Erfurt.

Leben im FKK-Country

FKK ist tatsächlich mehr als 100 Jahre alt. Es scheint mir nicht überraschend, dass es zur Jahrhundertwende im doch sehr steifen und zugeknöpften Preußen entstand, um den Zwängen zu entfliehen. Man erinnert sich an die kultige Szene aus Disneys Peter Pan, als dem Vater beim Ankleiden immer wieder sein „Männertöter“ (so heißt dieser etwas zu steif geratene Latz) ins Gesicht klatscht. Diese Szene war bittere Realität der vornehmen Gesellschaft, den Damen ging es mit Korsagen nicht besser. Nicht verwunderlich ist also das Bedürfnis des Menschen nach mehr Natürlichkeit und Freiheit – und das ist und war die FKK-Bewegung in den verschiedensten Stadien über das letzte Jahrhundert immer wieder: Eine Bewegung zurück zur Natur und hin zu mehr Freiheit.

So erscheint es nicht absurd, dass die erste große Strömung als Nudistenbewegung nicht ausschließlich Nacktheit auf dem Programm stehen hatte. Dieser ging es primär darum, eigenen Anbau auf dem Land, gemeinsamen Sporttreiben in der Natur zu betreiben – und dies nach Möglichkeit dann nackt zu tun. Einer der bekanntesten Vertreter dieser ersten gemeinschaftlichen Treffen und Zusammenkünfte auf dem Berg Monte Verita war der Schriftsteller Herman Hesse. Dieser sah es auch nicht als Scham an, sich beim Nacktklettern ablichten zu lassen.

DDR Geschichte

“Ein Schamgefühl in der DDR hatten wir alle nicht. […] Das war halt das Einzige, wo wir verrückt sein konnten.”, sagt Jana Pöschel in der Doku Von FDJ bis FKK. Wie die DDR wirklich war. Trotz Walter Ulbrichts anfänglichen Versuchs, das Nacktbaden nicht zu gestatten, wurde das Nacktbadeverbot bereits 1956 aufgehoben und bereits in den 70ern war an vielen Badeseen das Nacktbaden erlaubt. Die meisten Kiesgruben wurden oft als FKK-Strände genutzt. So gab es in der DDR von Anfang an auch in den FKK-Bereiche in öffentlichen Bädern keine Altersbeschränkung. Und auch der Staat wird profitiert haben, erzählt mir ein ehemaliger DDR-Bürger: „Es war wohl diese kleine Freiheit, die der Staat geduldet hat, um die große politische Freiheit enthalten zu können.“ An der Ostsee gab es die meisten FKK-Strände. So entwickelte sich ein regelrechter Campingboom, der im Sommer die Ostseeküste überflutete. Natürlich ging es nicht jedem so, viele sind zu DDR-Zeiten damit aufgewachsen aber nicht jeder geht bis heute gerne Nacktbaden.

Als Wahlerfurterin bin ich in meinem ersten Jahr mit der Freikörperkultur in Kontakt gekommen, als ich bei Freunden in den Garten eingeladen wurde, wo bereits der Pool stand. Wenige Minuten später war die Ansage, „Lasst uns in den Pool springen.“ Und ehe ich mich versah, war mein Bekannter bereits nackt und dabei in den Pool zu steigen. Eine für mich damals völlig unbekannte Selbstsicherheit mit seinem freien Körper.

Nackedeis am Strand © Bundesarchiv, CC-BY-SA 3.0

Mittlerweile habe ich dieses Lebensgefühl zu schätzen gelernt – nicht nur die Freiheit, nackt sein zu können, sondern die Nichtigkeit der eigenen Macken und Problemstellen, die es mit sich bringt. Dort wo alles offen ist, gibt es keine Scham mehr. Kurz gesagt, Bodyshaming habe ich in diesem Kontext nie erlebt.
Um all diesen Eindrücken etwas Nachdruck zu verleihen, hier ein paar Gedanken von Freunden, Bekannten, Erfurter Puffbohnen , Wahlerfurtern und Gestrandeten.
„Also ich bin nicht damit aufgewachsen aber mittlerweile find ichs eigentlich ganz schön.“ Auf meine Frage nach dem warum war die Antwort „Es fühlt sich eigentlich gut an. Es gibt nichts Schöneres als nackt ins Wasser einzutauchen. Dann ist alles weg, alle Sorgen, alles … nichts mehr da, kein Schlübber , nichts.“ (Wahlerfurterin, 27). So geht es auch den frisch gebackenen Eltern, als gebürtige Thüringer war die Antwort: „Es fühlt sich einfach freier an, die Sonne, die Luft, …“ (Mutti, Anfang 30) und er lacht und sagt: „Es schwingt halt so mit“

Um an dieser Stelle mit einem Klischee aufzuräumen, soll gesagt sein, das von Anfang an plumpe Erotik verpönt war. FKK kam schon in den Anfängen in den Ruf, unsexy zu sein und das hält sich bis heute. Viele mögen dem Vorurteil anhaften, dass das an den meist älteren FKK Besuchern liegt. Dem würde ich gerne mit dem Soziologen Oliver König entgegenhalten. „Der tatsächliche Reiz des Sexuellen entsteht erst aus dem Wechselspiel aus verhüllen und enthüllen. Dort wo einmal enthüllt ist gibt es nichts mehr zu enthüllen und es weicht quasi dem Banalen.“

Meiner Erfahrung nach findet sich in Saunen und FKK-Bereichen eine breite Masse an gemischtem Klientel und sicher sind die wenigsten Körper perfekt. Aber vielleicht ist es genau das, was uns zu der Illusion verleitet, es gäbe keine schönen Menschen an Nacktstränden. Weil der Homo Modeliens nun einmal nur auf Plakaten und Bildschirmen existiert. Daher meine persönliche Empfehlung an alle Experimentierfreudigen: Zurück zur Natur zu gehen. Schönheit zu betrachten wie sie geschaffen ist. Das Schöne zu nehmen und zu lieben und das Unperfekte zu ehren und zu schätzen. Vielleicht braucht unsere Generation genau das, eine tageslichthelle Entgiftung.

Heute leben wir frei nach dem Motto: jeder kann wie er will, nur die Meinung ist geteilt.

Badetipps:


Nordstrand (N50 59 59.2 E11 03 09.6)
Für die, die ihn noch nicht kennen, er ist definitiv kein Geheimtipp mehr. Aber die perfekte Feierabendvariante, mit nicht nur FKK Bereich, sondern auch mit dazugehörender Schwimminsel. Mit dem Ranking: „Warum sind die schönsten Bereiche am See immer für FKK.“ (Johanna, 28, bekennende nicht FKKlerin)


Alperstedter See (N51 04 20.9 E11 02 29.5)
Die Erfurter kennen ihn, wer ein Fahrrad hat, war bereits dort. Der Baggersee bei Erfurt, an dem man auch mit der nicht vorhandenen Geldbörse auf seine Kosten kommt. Er ist der Größte der Erfurter Seen. Da es noch keine Regelungen gibt, findet man hier die FKKler zwischen den Textilien auf Liegewiesen und an verschiedenen Uferstellen. Damit ist der Alperstedter See etwas für jeden, der sich in seinem Körper wohl fühlt.


Kiesgrube (N51 02 13.9 E11 03 30.9)
Ja, die beiden Kiesgruben auf dem riesigen Areal bieten (inoffizielle) FKK-Möglichkeiten für jeden Geschmack. Es gibt Wiesen & Sand, weitläufige Badestrände und kleine versteckte Plätze. Daher gilt hier auch Textil und FKK tolerieren sich gegenseitig. Wie auch zum Alperstedter See, der sich ein Stück weiter befindet, kommt man hier wunderbar mit dem Rad hin.


Klingesee (N51 03 20.3 E11 03 23.4)
FKK am Klingesee hat Tradition. Hier wirst du die alt eingesessenen FKKler finden, die ihrere Ruhe haben wollen. Obwohl es schon lange kein Geheimtipp mehr ist, sorgen rustikale Zustiege und Kiesstrände dafür, dass man hier immer noch einen privaten Flecken am Ufer findet. Vor allem „hinten am See“ kann man sich ungestört an den Nudismus herantasten. Denn hier, an der alten Kiesgrube, werden Textilien von den FKK Freunden gerne geduldet.


Stotternheimer See (N51 03 00.6 E11 03 14.4)
Natürlich darf der FKK Bereich am Stotternheimer Badestrand auch nicht fehlen. Wer also mit Freunden an diesem Strand ist, und trotzdem nicht auf seine lückenlose Bräune verzichten möchte, hat hier jederzeit die Gelegenheit sich kurz am FKK Strand zu wälzen.

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