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Smartplatz, was bist du?

Der Einzelhandel hat es schwer, und es gibt einen Grund: Nicht Amazon oder Zalando, sondern wir, die wir zu faul sind, für unseren Hoodie den Laden um die Ecke zu betreten. Glaubt man Gründer Daniel Schulz, kommt die Rettung des lokalen Konsums aus Erfurt – in Form der App Smartplatz. Vor einigen Wochen hat Smartplatz mit uns Kontakt aufgenommen. Der Grund: Die Gründer der lokalen App wollen sich zum kreativen Austausch mit uns treffen. Daniel Schulz, Geschäftsführer des Unternehmens, behauptet steil: er und seine Mitgründer Tobias Kallinich und Tizian Adam wollen doch eigentlich genau das gleiche wie wir, nämlich den Blick auf Erfurt verändern. Grund für uns, genauer hinzuschauen. Wer ist Smartplatz? Und wem nützt es? Eine Auseinandersetzung.

Wir treffen Geschäftsführer Daniel und Laura, die im Unternehmen für Social Media und Eventmarketing zuständig ist. Smartplatz befindet sich im Büro von Kallinich Media. Die modern-sterile Einrichtung, junge, beim Hereinkommen freundlich grüßende Mitarbeitende, die langen weißen Coworking-Loungetische – alles am Büro schreit „Startup“. Doch so richtig fühlt sich Daniel mit dem Label nicht wohl: während des Gespräches betont er mehrfach, dass ihn vieles an der Gründerszene nervt – sie sei überschwemmt mit Zauberei statt Ehrlichkeit. Doch auch wenn ihm die Szene auf die Nerven geht, hat er sich das Startup-Vokabular gut angeeignet. Smartplatz wurde mit dem ehrgeizigen Ziel gegründet, „all das lokal auszustrahlen, was lokal passiert“, drischt Daniel beispielsweise.

Von rechts nach links: Tobias Kallinich, Daniel Schulz und ein Schriftzug “Kauf mich! Kauf mich! Kauf mich!”

Tatsächlich ist das Ziel von Smartplatz aber, alles zu beinhalten, was man in Erfurt so tun und kaufen kann. Und zwar nicht nur die einzelnen Läden, sondern auch deren Produkte. Damit die mittels Smartplatz auffindbar sind, müssen sie von den Betreibenden der Läden eigens in Smartplatz eingepflegt werden. Dann sind sie vom Algorithmus erfassbar, der sie denjenigen Nutzerinnen und Nutzern zeigt, die angegeben haben, dass sie an Produkten dieser Art interessiert sind. Aus ebenjenem Algorithmus wird somit beinahe das gesamte Kapital der App. Er ist der outgesourcte Aufmerksamkeitsfilter, lässt den für unsere Interessen unrelevanten Müll aus unseren Ergebnissen verschwinden und zeigt uns von vornherein nur das, was uns interessieren könnte. So zumindest die Theorie; der Praxistest zeigte uns auf der Suche nach Frühstück in Erfurt beispielsweise ein Hotel für Kinder, weil das seinen Gästen auch ein Frühstücksangebot bereitstellt, während sich unter die Ergebnisse nur ein einziges Café gesellt.

Mittlerweile sind um die 240 Unternehmen mit von der Partie. Die Bandbreite geht von Erfurter Traditionsunternehmen wie BORN-Senf zu Ketten wie Breuninger. Dass sich lokale Unternehmen freuen, eine weitere Plattform an die Hand gereicht zu bekommen, um ihre Produkte unters Volk zu bringen – das leuchtet ein. Dass Unternehmen wie Breuninger oder wüstenrot aber genauso mit von der Partie sind, findet Gründer Daniel keinen Widerspruch: auch die gehören zum Konsumangebot Erfurts, sagt er. Das tun allerdings auch soziokulturelle Vereine wie beispielsweise das Klanggerüst, die in der App noch fast gar nicht vorkommen. Daniel erklärt das damit, dass die eben keine Produkte anbieten und somit nicht in die aktuelle App einpflegbar sind – gelobt aber im gleichen Atemzug Besserung, am September soll eine neue Version der App so etwas ermöglichen. Ob die Vereine dann tatsächlich auch ein Interesse daran haben, in einer auf lokalen Konsum ausgelegten App zu erscheinen, wird sich zeigen.

Anspruch und Realität spielen ein bisschen Verstecken

Tatsächlich nimmt man Daniel und Laura aber den Wunsch ab, den großen Marken nicht mehr Raum geben zu wollen als den kleinen. Smartplatz hat nach eigener Angabe schon Angebote abgeschlagen, Marken gegen Geld Vorteile in der App einzuräumen. Vielmehr sollen die Marken gleichberechtigt nebeneinanderstehen und mehr durch die Bandbreite ihres Angebots glänzen können. Und doch kratzen solche Kooperationen am Image des wohltätigen Unterstützers lokaler Akteure. Zu Kooperationen mit Versicherungsdienstleistern wie wüstenrot sagt der von Gründerphrasen genervte Daniel: „Wir wollen aus klassischen Dingen das Besondere rausholen“. Was er meint: die lokalen Vertreterinnen und Vertreter der Versicherungen („das Klassische“) sind Erfurter*innen und haben als solche eine Existenzberechtigung in der App, denn auch sie bieten lokale Angebote („das Besondere“), die über Smartplatz angezeigt werden können.

Und weil die Welt auch für Smartplatz nicht nur aus Erfurt besteht, ist Smartplatz aktiv dabei, auch nach Leipzig zu expandieren. Dabei, so betonen Laura und Daniel pflichtbewusst, will man Erfurt aber nicht vergessen. Das ist schön und überschaubar, während aber Leipzig moderner, deshalb aber auch kompetitiver für Angebote wie Smartplatz ist. Hier hat eben nicht jeder Döner einen instagram-Account, ohne den man in Leipzig wohl kaum Geschäft machen kann. Das macht allerdings auch einen Start in Erfurt schwierig, wo Ladenbesitzer*innen erst einmal an das Konzept einer lokalen App herangeführt werden müssen. In Leipzig soll das Angebot im Herbst 2019 starten – Ziel ist es aber, dass irgendwann jede Stadt mit Smartplatz erkundet werden kann.

Eines der Werbebilder, die Smartplatz uns geschickt hat (Filter: New York)
Was uns verbindet und unterscheidet

Mehrfach im Gespräch betonen Laura und Daniel, dass das UNGLEICH magazin und Smartplatz am gleichen Strang ziehen und sich unsere Ziele überschneiden. Und auch wenn wir uns dagegen sträuben, in Teilen stimmt das: es geht, zumindest in der Theorie, darum, die Stadt erlebbar zu machen und Unbekanntes aufzudecken. Immer wieder bekommen wir im Gespräch aber auch das Gefühl, dass wir als non-profit-Magazin gar nicht anders können, als zumindest nochmal skeptisch nachzufragen, wenn das Erleben der Stadt durch Kooperationen mit deutschlandweiten Versicherungen gestärkt werden soll.

Und so bleibt zu sagen: uns ist klar, dass wirtschaftende Unternehmen sich – anders als wir – die Arroganz nicht erlauben können, Kooperationen auszuschließen, weil sie uncool sind; einen faden Beigeschmack hinterlässt es aber doch. Die Boni mögen den lokalen Konsum durchaus zu stärken in der Lage sein: Angebote wie „1 Glas Weiß-Wein (0,1) umsonst“ bei der Korkenzieherin für alle Smartplatz-Kunden kann man schwer wegargumentieren – sowas weckt den Schnäppchengeier in uns und lässt uns in einem Laden vorbeischauen, den wir noch nicht kennen. Manchmal hat man aber doch das Gefühl, dass die Boni – mithin unserer Meinung nach der stärkste Grund, die App tatsächlich zu nutzen – beizeiten einfach nicht so richtig zum Anspruch passen und dazu führen, tatsächlich im Laden vorbeizuschauen. Miss Rubens verspricht ab einem Einkauf von 50€ beispielsweise eine kostenlose Tragetasche (thanks). Bei arko im Thüringenpark gibt es mit der Smartplatz-App gerade 10% auf alle Oster-Hohlfiguren (was ist das und warum ist es überhaupt, und dann auch noch im Juli, relevant). Besonders deutlich wird das, wenn man über Smartplatz zum Abschluss einer Versicherung inspiriert werden soll: Boni bei Abschluss einer Versicherung sind ein bedruckter Zollstock – 2 Meter garantierter Messspaß, powered by wüstenrot – oder ein gratis Kaffee zum Beratungsgespräch.

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