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Dem Brot zu Ehren – eine kulinarische Backreise durch Erfurt

Sie wird uns schon nicht ganz leicht gemacht – die Suche nach einer Bäckerei in Erfurt. Ich habe mich lange schwer getan, zwischen Ketten-Bäckereien, Discounter-Backwaren und Aufbackprodukten. Eine Bäckerei zu finden, die regional und frisch und halt echt lecker produziert oder deren Waren-Zubereitung  zumindest das persönliche Prädikat schnuckelig oder liebevoll verdient hätte, schien nicht so einfach. Nun mag das auch (ganz gewiss sogar) an meinen Scheuklappen liegen oder dass ich in Erfurt immer nur die gleichen Wege fahre, auf denen halt nicht überall kulinarische Verheißungen lauern. Ein bisschen liegt es aber vielleicht auch daran, dass man sich die guten Backzubereiter*innen auch aktiv suchen muss.

Es folgt also nach dem Ausflug in die Kloß-Welt der nächste Versuch der Ent-Snobbisierung unserer Konsumsparte (Bald wird wieder Milchschaum-Konsistenz getestet, no worries!). Aber heute bleiben wir nah dran am Normalsterblichen, denn was gibt’s bitte bodenständigeres, als Brot zu kaufen?! Auf der Suche nach Bäckereien, die ihre Brötchen noch lieb haben und gerne verkaufen, wurde ich geleitet von redaktionsinternen und -externen Geheimtippern (Ungleich schützt seine Quellen mindestens so streng wie die Sekttradition).

Meine erste Station führt mich zur Backstube an der Krämerbrücke. Offizielle Öffnungszeiten sind hier untergeordnet, zu achten ist vor allem auf die Fahne, die stolz rausgehängt wird, wenn dem werten Brotgast Eintritt gewährt wird. Drinnen fühlt man sich ein bisschen, als wäre man gerade in der Wohnung einer Familie, die im Nebenzimmer‘chen Backwaren zubereitet und es vorne an die privaten Kunden vertickt. Das Wohnzimmer bietet ein paar Sitzgelegenheiten, hier kann auch der eigene Aufstrich mitgebracht und die frischen Brötchen direkt verspeist werden.

Der Laden wirkt wirklich wie eine Anti-Bäckerei-Ketten-Initiative. Die Auswahl ist je nach Tageszeit gut bis arg beschränkt, dafür gibt es Roggenbrot, was hingebungsvoll ehrlich nach frischem, selbstgebackenem Brot schmeckt und kein bisschen nach Emulgator E21a und Verdickungsmittel. Für 3,50 Euro jetzt kein Schnapper für so ein halbes Kilo und nichts für jeden Tag – es lohnt sich aber, liebe Menschen. Highlights sind die Brötchen: Olive & getrocknete Tomate, Parmesan-Jalapeño, Aprikose-Walnuss (für mich jetzt schon das bessere Rosinenbrötchen) machen satt und glücklich.

Zweite Station ist die Bäckerei Thieme kurz vorm Presseklub, direkt an der Bahnhaltestelle Karl-Marx-Platz. Wer nicht in der Gegend wohnt oder sich nicht mit voller Leidenschaft den geschmackvollen PK-Partys verschrieben hat, kommt hier möglicherweise nicht so oft vorbei. Der Flair vom kleinen Wohnstubenbäcker wird hier durch ein bisschen mehr Filialenfeeling ersetzt. Es gibt Sauerkrautbrötchen (schmeckt wirklich nach Sauerkraut, recht dezent, geschmacklich unspektakulär, vom Nachgeschmack hat man noch ein bisschen was), mit Vanille gefüllte Brioche-Brötchen (sehr gut) und Focaccia ähnliche Riesenfladen. Die Konsistenz der Brötchen ist fluffiger und erinnert hier (im Vergleich zur Backstube) mehr an andere Bäckereien. Thieme hat für so eine Bäckerei eine überraschend informative Website, auf der sie sich zu politischer Neutralität (wichtiges und krasses Statement in der durch-politisierten Backszene) bekennen. Die von mir getesteten Backwaren sind schmackhaft, überzeugen mich aber nicht so uneingeschränkt wie die in der Backstube. Trotzdem einen Abstecher wert. Weiterer Pluspunkt für Team Thieme: Sie sind bei Too Good To Go am Start.

So, nächster Stopp: Beim Caféhaus Spiegler am Wenigemarkt bestelle ich 1 Brötchen, bezahle artig 55 Cent. Die Verkäuferin sagt mir zwei Brötchen zu und gibt mir: drei. Schüchternes Herumlungern und das Aufgeben bescheidener Bestellungen eine Stunde vor Ladenschluss zahlen sich in den Bäckereien Erfurts also aus. Spiegler ist sonst aber eher Spezialist*innenadresse für Kuchen – die runden Blechkuchen machen jeder XXL Familien-Pizza größentechnisch Konkurrenz, die Stücke sind dementsprechend. Ab und an gibt’s hier auch Waren vom Vortag (dann gibt es gefühlte 300 Gramm Kuchenstücke für unter 2 Euro), die Brote sind von super Qualität und gehen auch an den denn’s Biomarkt im Anger. Richtige Verweilwünsche kommen hier aber nicht unbedingt auf – die Einrichtung des Ladens hat trotz Namen deutlich mehr Konditorei- als Caféflair und es fehlt etwas an Gemütlichkeit.

1,2 oder 3 – wie viele Brötchen man bekommt, ist manchmal Glückssache.

An meinem letzten Stopp fahre ich straight vorbei. Unauffällig ist die Bäckerei Weißleder auf der Auenstraße, Ecke Leopoldstraße, ganz unweit der Architektur-FH. Morgens um 8.30 Uhr ist hier munterer Betrieb – ein Geheimtipp scheint das (außer für mich) absolut nicht zu sein. Hier ist die Auswahl wieder begrenzt, es gibt wohl tagesabhängig mal Kartoffelbrot, mal was anderes. Ich erwische einen Buchweizen-Tag, ergattere einen frisches Brötchenexemplar und eine wirklich gute Pekanuss-Schnitte und beende damit zufrieden meinen persönlichen Brötchenmarathon.

Fazit: Dem 31*-Zutaten-Brötchen von Rewe und dem Fortschreiten der Erfurter Back-Oligarchisierung mit Geschmacksverlust kann also etwas entgegengesetzt werden. Das tägliche Brot ist vorerst gerettet. Durchatmen. Danke, Erfurt!

*Schätzwert

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