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Die ständige Kulturvertretung

Als kulturschaffende Person hat man es wohl nicht leicht. Oder zumindest oft nicht. Fördergeld findet man nicht auf der Straße, geeignete Räume, um eigene Ideen umzusetzen, sind in Erfurt nicht wie Sand am Meer vorhanden und dann gibt es da noch die Stadtverwaltung, das Ordnungsamt oder die Nachbarn, die gerne um Punkt 22 Uhr schlafen möchten. Auch wir stehen oft vor Problemen und als Neulinge in der Szene ist es nicht immer ganz einfach, den Durchblick zu bewahren, welche Möglichkeiten und Ansprechpartner*innen es gibt und welche man davon für sich beanspruchen kann. Aber Fakt ist: es gibt kulturelle Förderprogramme der Stadt und auch Menschen, die einem gerne helfen, im Dschungel der Mittel, Anträge und Vorschriften zurecht zu kommen.

Unter den helfenden Händen, die einen durch diesen Dschungel führen, sind auch die der ständigen Kulturvertretung (SKV). Deshalb trafen wir uns mit Flo und Lisa, um mit ihnen über ihre Initiative zu sprechen und sie euch vorzustellen.

©SKV

Die Ständige Kulturvertretung entstand aus der Ursprungsgruppe “Kulturrauminitiative”, die sich 2013 gründete, als immer mehr Räume in der Stadt verschwanden, die vorher für Kulturveranstaltungen zur Verfügung standen. „Hat sich einmal ein Investor gefunden, sind die Kulturräume der Stadt weg. Für immer“, erzählt Flo. „Wir wollen diese Räume für die Subkulturen freihalten!” Im Gespräch mit den verschiedenen kulturellen Akteur*innen stellte sich heraus, dass es noch viel mehr Belange gibt, die alle Kulturschaffenden Erfurts vereinen. Aus diesem Grund haben sich die Organisierenden entschlossen die „Kulturrauminitiative“ zur „Ständigen Kulturvertretung“ weiterzuentwickeln. Diese sollte sich in der Zukunft, repräsentativ für alle Kulturschaffenden, nicht mehr nur um die Räume, sondern auch um finanzielle und inhaltliche Forderungen gegenüber der Stadt kümmern. „Die Akteure sollten vernetzt werden, um als gemeinsame Kraft aufzutreten, um gebündelt die einzelnen Interessen dieser vielen Kulturakteure zusammenzufassen und Position gegenüber Stadt und Politik einzunehmen“, führt Flo weiter aus. 

Wir wollen diese Räume für die Subkultur freihalten!

Die SKV will primär für einen regelmäßigen Austausch zwischen den und zur Vernetzung der Kulturschaffenden untereinander sorgen. Dafür organisieren sie jeden zweiten Donnerstag im Monat den Kulturstammtisch. In den kalten Monaten findet er im Retronom statt, im Sommer wird der Treffpunkt verlegt, zum Beispiel an die „Kleine Rampe“ wie im Sommer letzten Jahres. Zu den offenen Treffen sind alle Erfurter*innen eingeladen, ob Teil einer Initiative, eines Vereins, freischaffende*r Künstler*in, oder einfach nur Interessierte. Die Mitglieder der SKV haben so die Gelegenheit, mit den Kulturakteuren zu sprechen, die sie vertreten wollen und Anliegen dieser zu sammeln, um diese dann an die Stadt und Verwaltung zu tragen. 

Der Kulturstammtisch, jeden zweiten Donnerstag im Monat! ©SKV

Wir werden immer mehr als Partner involviert, weil sie wissen, dass wir den Zugang zur Szene haben.

Um diese der Politik mitzuteilen, wurde der Trialog geschaffen. Die SKV bietet dabei den Raum für ein informelles Gespräch zwischen der SKV, der Stadtverwaltung sowie der Politik. In diesen regelmäßig stattfindenden Gesprächen hat die SKV die Möglichkeit, die Interessen der soziokulturellen Gruppen, die unter anderem beim Kulturstammtisch gesammelt werden, gegenüber den anderen Parteien zu vertreten. „Für Einzelpersonen ist es schwieriger, an die Politiker*innen heranzukommen, deswegen sammeln wir die Anliegen der Szene und äußern sie der Politik gegenüber”, erklärt Flo. Dennoch sind sie sich bewusst, dass sich nicht jede*r durch die SKV vertreten fühlt: „Nicht jeder will sich von uns vertreten lassen und wir können auch gar nicht auf jedes individuelle Problem eingehen.“ erklärt Lisa. „Trotzdem sind es oft dieselben Herausforderungen, vor denen die Soziokultur steht“, erzählt sie weiter. Außerdem erreichten sie durch ihre bisherige Arbeit immer mehr Anerkennung und Akzeptanz bei Politik und Verwaltung. Sie werden deswegen auch öfter zu kulturpolitischen Veranstaltungen eingeladen: „Wir werden immer mehr als Partner involviert, weil sie wissen, dass wir den Zugang zur Szene haben.”, sagt Lisa. 

Die SKV hat sich auf ihrer Homepage zu drei übergeordneten Forderungen bekannt. Alle anderen Ziele sollen diesen Hauptthemen zugeordnet werden. Das sind zum einen die kulturellen Räume in Erfurt, die erhalten bleiben sollen. Einer dieser Räume ist beispielsweise der Erfurter Stadtgarten, für den sich aktuell kein neuer Investor findet. Da die Zukunft des traditionsreichen Kulturortes nun ungewiss ist und er immer weiter zu verfallen droht, will die SKV die Entwicklungen im Blick behalten und Druck auf die Stadt ausüben. Vielleicht ergibt sich eine Möglichkeit, die Weiterführung des Stadtgartens doch noch zu ermöglichen und den seit Jahren genutzten Kulturort zu erhalten. 

Zum anderen ist es ihr Anliegen, dass mehr Geld von der Stadt zur Unterstützung der Kulturschaffenden und Initiativen zur Verfügung gestellt wird. In den letzten Jahren betrug das eingeplante Jahresbudget für die kulturelle Projekt-Förderung nämlich nur knapp 70.000 Euro. Kurz vor der OB-Wahl 2018 lud die SKV im Rahmen von “Wir machen Stadt” alle Oberbürgermeisterkandidat*innen ein. Diese mussten sich kulturell bekennen und den Standpunkt ihrer geplanten Kulturpolitik klar festlegen. Dort wurde dem amtierenden Oberbürgermeister beispielsweise entlockt, dass er das Budget der Kulturförderung erhöhen wolle und er kam so unter „Zugzwang“. Das oben erwähnte Budget wurde auf 290.000 Euro erhöht. Dasselbe wurde auch vor der Stadtratswahl gemacht. Die Aufzeichnungen können als Druckmittel für die Kulturszene genutzt werden. „Jetzt können wir sagen: dann und dann habt ihr das gesagt, was ist denn da jetzt los?“, sagt Flo.

Wir müssen gemeinsam auftreten und nicht gegeneinander.

Für diese Forderungen muss immer wieder neu verhandelt und diskutiert werden. „Wir dürfen nicht aufhören, sondern müssen laut bleiben und extern Forderungen an die Politik stellen.“, sagt Flo, „sonst wird das Budget in den nächsten Jahren bestimmt wieder gekürzt.“ Wichtig sei es auch, dass die verschiedenen Kulturakteur*innen zusammenarbeiten und sich nicht gegeneinander ausspielen: „Wir müssen gemeinsam auftreten und nicht gegeneinander.“ 

Aus der Forderung “Feiert uns!” ergibt sich auch das letzte Ziel der SKV. Es soll eine größere Anerkennung der kulturellen Arbeit in Erfurt geben. Das funktioniert zum einen über eine ausgeweitete Finanzierung durch die Stadt und zum anderen auch durch die fortlaufende Unterstützung der Stadt, indem sie eben keine Stolpersteine in den Weg legt, sondern gewährleistet, dass es genug Raum und Freiheit für Kulturschaffenden gibt. In den letzten Jahren ist in dieser Hinsicht schon viel passiert und es ist bemerkbar, dass die Stadt sich bemüht und daran arbeitet, diese zu unterstützen. Dennoch sollte sie mehr dahinter sein, die Soziokultur als wichtigen Standortfaktor anzusehen.

Die Anerkennung kann auch im Rahmen von „Kultur flaniert” direkt durch die Bürger*innen kommen. Hierbei können alle Kulturakteur*innen in Erfurt an einem gemeinsamen Tag ihre Türen öffnen und Veranstaltungen organisieren. Die Erfurter*innen flanieren dann durch die Stadt, können sich das Angebot ansehen, teilnehmen und endlich die Fülle der zahlreichen kulturellen Initiativen erkennen.

Falls ihr selbst ein Projekt oder eine Veranstaltung plant, eine Initiative, ein Verein, ein Kollektiv oder auch einfach eine Person seid, die Bock hat an der Soziokultur Erfurts teilzuhaben, dann kommt zum nächsten Kulturstammtisch am 12. März um 18 Uhr im Retronom oder schreibt bei Fragen und Problemen direkt an: kontakt@staendigekulturvertretung.de

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