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Ein Ausflug zu den Drei (Un)Gleichen

„Studiert nicht nur auf dem Campus in Erfurt, sondern entdeckt auch die Umgebung“- riet uns der Prof im ersten Seminar in meinem ersten Semester in Erfurt und ich ertappe mich dabei, wie ich seit zehn Tagen nur zwischen Wohnung und Uni pendle und so gar nichts entdecke. Meiner Mitbewohnerin scheint es die vergangenen Jahre ähnlich gegangen zu sein. Jedenfalls steht sie kurz vor dem Ende ihres Studiums und kurz vorm Umzug – raus aus Erfurt, raus aus Thüringen. Die „Drei Gleichen“, die würde sie jetzt schon gerne noch sehen, verkündet sie mir mitten in der Klausurvorbereitung. Gesagt, getan, denn Lernen bei Sonnenschein macht sowieso keinen Spaß. Die drei Burgen kenne ich von meinen Fahrten über die Autobahn 4. Irgendwann nach Eisenach macht sich ein unglaubliches Panorama auf und man glaubt alle Sehenswürdigkeiten Thüringens auf einmal zu sehen. An Wandern und Urlaub denke ich da noch nicht. An Wandern denke ich als Studentin sowieso eher selten, an Urlaub schon mehr, aber eben nicht in Thüringen, denn das erinnert an Uni, Lernen und Klausurentermine. Und obwohl die „Drei Gleichen“ selbst von der Autobahn wunderschön aussehen, sehe ich je nach Richtung vor meinem geistigen Auge eher den Zustand meines WG-Zimmers oder eben die Heimat. Nicht unbedingt Wandern und Urlaub in Thüringen.

Die „Drei Gleichen“ schienen schon immer gut erkennbar gewesen zu sein. 1231 brannten der Legende nach alle drei Burgen gleichzeitig nach einem Blitzeinschlag lichterloh. Dieses Ereignis soll nicht nur ganz Thüringen erleuchtet haben, sondern gab den drei Burgen auch ihren Namen. „Die drei Gleichen“ sehen gar nicht gleich aus, sie brannten nur gleichzeitig. Zur Erinnerung an dieses unfreiwillige Feuerspektakel des Mittelalters findet etwa alle drei Jahre ein durchaus freiwilliges Erinnerungsevent statt. „Der Dreischlag“, eine Pyroshow, hat zwar immer mit Problemen im Bereich Natur- und Brandschutz zu kämpfen, soll aber dieses Jahr vom 21. bis 23. August stattfinden. Fakt am Rande: 2017 wurde dafür die überall präsente Autobahn 4 beidseitig gesperrt.

Die „Drei Gleichen“ ohne A4 – das geht nicht

Den abenteuerlustigen Studierenden aus Erfurt empfehle ich eine Zugfahrt von Erfurt nach Wandersleben. Der Namensgeber dieses Ortes sollte Recht behalten, denn von Wandersleben aus kann man die Burgen fußläufig gut erreichen. Der Bahnhof selbst mutet noch nicht nach prachtvollen Burgen und tollem Panorama an. Ein Gleis und Felder ringsherum, mehr bietet der Bahnhof nicht. Ein schönes Gefühl und ein toller Einstieg ist das trotzdem, denn wir wollten ja in die Natur. Durch den Ort, vorbei an einer großen Hühnerei-Firma und dann ist man auch schon an der ersten Gleichen (diese Burg heißt tatsächlich „Burg Gleichen“). Berühmt wurde die Burg durch die Sage vom „zweibeweibten Grafen von Gleichen“. Auf einem Kreuzzug verliebte er sich ein eine Sultanstochter, die er heiraten und mit auf seine Burg mitnehmen wollte. Sogar der Papst in Rom stimmte dem Vorhaben zu und seine wartende Frau Otilia soll die Verliebten mit offenen Armen empfangen haben. Das klingt eher wie eine mittelalterliche Soap Opera, aber durchaus interessant.  Der Aufstieg zum ehemaligen Liebesnest lohnt sich, denn durch kleine Infotafeln am Wegesrand konnte ich nicht nur etwas über die Flora und Fauna am Berg lernen (kann man wissen, muss man aber nicht), sondern in der Saison könnte man sogar auch die Burgruine besichtigen. Außerhalb der Saison ist die Burgruine nur am Wochenende geöffnet. Saison war an einem Freitag Ende Januar zwar nicht, aber die Trauer hielt nicht lange an, denn von der „Burg Gleichen“ hat man einen tollen Blick auf die anderen Burgen und die A4. Irgendwie eine spannende Mischung aus Natur, Mittelalter und Moderne. Die „Drei Gleichen“ ohne A4 – das geht nicht.

Die Burgen gibt’s allesamt im Paket mit allerhand naturbelassenem Autobahn- und Parkplatz-Flair

Denn um zur Mühlburg zu gelangen (die zweite Gleiche), muss man die A4 unterqueren.  Zwischen Tankstelle, Autobahnrasthof und dem Bratwurst-Museum geht es dann an den zweiten Aufstieg, der sich ebenfalls lohnt. Die Mühlburg ist gut zugänglich und der Turm, Mauern und ein Fenster stehen auch noch. Nur um dann über die Mauern und in die Ferne zu schauen, müsste man schon Treppen und kleine Mauerabsprünge bewältigen können. Das Mittelalter war nicht barrierefrei, die Mühlburg ist es auch heute leider nicht. Anscheinend locken in der Saison auch ein Café und eine Ausstellung. In der Saison, also nicht Ende Januar. Urkundlich wurde die Mühlburg übrigens erstmals 704 n.C. erwähnt und ist damit die älteste Burg Thüringens, aber trotzdem besser in Schuss, als die Burg Gleichen. Aber vielleicht ist das Konzept hier auch eher das Spiel mit dem „Ruinen-Charme“. 

Die dritte Burg haben wir dann nicht mehr besichtigt, weil wir abends noch Termine in Erfurt hatten. Vielleicht sollte man sich nichts anderes vornehmen, wenn man alle drei Burgen besichtigen will. Etwas Ausdauer empfehle ich dann aber auch. Immerhin steht jede Burg auf einem Berg. Von Mühlberg fährt dann ein Bus nach Neudietendorf und am dortigen Bahnhof hält auch die Bahn zurück nach Erfurt. Die dritte Gleiche (Veste Wachsenburg) ist laut meiner Mitbewohnerin auch eher etwas für Feinschmecker mit dickem Geldbeutel: Es locken Restaurant und Hotel, aber auch ein kleines Museum. Die Wachsenburg ist im Privatbesitz einer Familie und dementsprechend mehr Burg als Ruine. Obwohl ich trotzdem mein Butterbrot auf der Bank in der Sonne der Thüringer Forelle für 21 Euro vorziehe. Mein persönlicher Reisetipp: Wer sich wie Graf und Gräfin fühlen möchte und im Himmelbett nächtigen und Forelle verspeisen möchte, sollte die Wachsenburg beehren. Dem Fußvolk mit Butterbrot und Thermoskanne empfehle ich die anderen Burgen. Die bieten mehr Natur, mehr Abenteuer und weniger finanziellen Ruin.

Zurück in Erfurt habe ich mich tatsächlich entschleunigt gefühlt. Wie nach einem Urlaub. Einem Mini-Urlaub in Thüringen. Tolle Ausblicke und Bewegung an frischer Luft haben mich tatsächlich auch psychisch raus aus Erfurt geholt. Und weil man mit einem Ausflug nur schwer alles auf einmal entdecken kann, bleibt noch ein weiterer Aussichtspunkt auf meiner Bucketlist. Wagt man in Wandersleben einen Berg früher den Aufstieg, erreicht man den Kaffberg, von dem man auf 399m Höhe ein tolles Panorama auf alle drei Burgen haben soll.  Diese Wanderung nehme ich mir dann für die nächste Klausurenphase vor, denn ich habe bemerkt: Rausgehen in der Klausurvorbereitung – das befreit von Stress und ist daher ein Muss für alle Studierenden. Und ganz wichtig: Wagt den Schritt aus Erfurt heraus, ruhig einen ganzen Tag lang. So kommt ihr gar nicht erst in Versuchung zu lernen. „Aus dem Auge aus dem Sinn“ trifft vielleicht das Motto des Tages.

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