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Stadtgarten: Leerstand statt Kulturstätte

Der Stadtgarten Erfurt ist – oder besser gesagt, war – eine Erfurter Institution, die jahrelang mit durchtanzten Nächten, Konzerten quer durch die Musikwelt und, wie auf der Facebook-Seite ausreichend thematisiert wird, hochpreisigem Bier verbunden wurde.

Jetzt ist der Stadtgarten geschlossen, ein Zustand, der sich in absehbarer Zeit wohl nicht ändern wird.

Ein halbes Jahrhundert Kulturbetrieb

Für alle, die erst zugezogen sind, nachdem der Stadtgarten schon seine Tore geschlossen hatte, oder die einfach nie die Gelegenheit hatten, sich mit der Institution vertraut zu machen, erstmal ein kurzer Abriss der Geschichte.

1961 wurde im Stadtgarten der Zentrale Klub für Jugend und Sportler gegründet. Im Laufe der folgenden Jahre diente das Gelände als Jugendklub, Ort für Kulturveranstaltungen und als Konzertlocation. Nach der Wende wurde das Gelände unter anderem als Biergarten und Probebühne für die Städtischen Bühnen Erfurt genutzt, bis es 2005 durch die „Stadtgarten Erfurt GbR – Gastronomie und Eventservice“ übernommen wurde. Es folgten 13 Jahre Gastronomiebetrieb, Konzerte, Clubnächte und Spieleabende – der Stadtgarten blickte also zweifelsohne auf eine lange Geschichte von Kultur und Kulturschaffenden zurück, als er 2018 seine Tore schloss.

Die Gründe für die Schließung liegen laut der ehemaligen Betreiberin Catharina Seeber in den Pachtbedingungen. So habe die Stadt nach Ablauf des Zehnjahresvertrages keinen neuen Mehrjahresvertrag ausgestellt, sondern die Laufzeit auf ein Jahr beschränkt.

Solche Voraussetzungen machen den Erhalt einer Kulturstätte jedoch nahezu unmöglich: Die Planung von Konzerten und Events bedarf eines Vorlaufs von mehreren Monaten, und die Instandhaltung der Räumlichkeiten verschlingt Unsummen. Geld, das kein(e) BetreiberIn bereit ist zu investieren, ohne einen längerfristigen Anspruch auf das Gelände gesichert zu haben. Der Stadtgarten wurde geschlossen, BetreiberInnen sowie BesucherInnen bedauerten das sehr.

Ausgeschrieben/ Abgeschrieben?

Es folgte ein von der Stadt ausgerufener Wettbewerb, in dem potentielle neue BetreiberInnen ein Konzept zur Nutzung des Stadtgartens vorstellen sollten, um den Zuschlag auf die Location zu erhalten. Die Gewinner dieses Wettbewerbs, ein Zusammenschluss von Kulturschaffenden aus Erfurt und Dresden, zogen sich, ebenso wie die Zweitplatzierten, zurück. Die Gründe dafür lagen einerseits in der langen Betriebsunterbrechung des Stadtgartens, die eine sofortige Wiederaufnahme des Betriebs unmöglich macht, andererseits in den hohen Kosten, die unweigerlich für die Instandsetzung des Geländes anfallen. Auch der neue Pachtvertrag lässt diesbezüglich wenig Spielraum.

Dieser soll für eine Laufzeit von 50 Jahren gelten und verpflichtet PächterInnen, Zahlungen in der Höhe von mehreren hunderttausend Euro zu leisten – angefangen mit dem Sanierungsstau des Gebäudes, der bereits 2017 auf etwa eine halbe Million Euro geschätzt wurde. Arbeiten fallen unter anderem in den Bereichen Elektrik und Brandschutz an – all das, unter Auflagen des Denkmalschutzes.

Diese Tore bleiben leider momentan verschlossen.

Gleichzeitig wird von den neuen PächterInnen erwartet, die „Individualität und Exklusivität des Ortes“, eine „Einbeziehung des historischen Hintergrund[es]“, sowie eine „Querfinanzierung gewinnschwacher, niedrigschwelliger Kulturangebote“ zu sichern, so das Amt für Grundstücks- und Gebäudeverwaltung Erfurt.

Natürlich ist es gut und wichtig, hohe Ansprüche an eine Kulturstätte und deren BetreiberInnen zu setzen. Eine Wiederaufnahme des Betriebs im Stadtgarten muss wohlüberlegt sein und soll langfristig und nachhaltig erfolgen. Die Kombination aus hohen Investitionen im Voraus und Forderungen, die die Stadt an neue BetreiberInnen stellt – ein Mietzins, der von Kulturschaffenden als unverhältnismäßig hoch bezeichnet wird, sowie die Aussicht, gewinnschwache Kulturangebote mitzutragen – machen den Veranstaltungsort jedoch wenig attraktiv für zukünftige InvestorInnen. Ergänzt wird diese Liste durch den Punkt „Lärmschutz“, der in Anbetracht der umliegenden Wohnhäuser besonders relevant ist – ein weiteres Problem, mit dem zukünftige PächterInnen sich auseinandersetzen werden müssen. Verlierer hierbei ist Erfurts Kulturlandschaft.

Mit der Schließung des Stadtgartens hat die Landeshauptstadt einen Veranstaltungsort verloren, der einen individuellen Querschnitt durch den Kulturbereich geboten hat: Spieleabende, Nachmittage im Café mit selbstgebackenem Birnenkuchen und Fahrradkino wurden ergänzt durch Clubabende, Ballettaufführungen und ein vielfältiges Konzertangebot.

Ein solches Programm scheint in Anbetracht der heutigen Umstände illusionistisch.

Doch gerade diese vielseitigen, alternativen Angebote ziehen verschiedene Publika an und schaffen so einen Ort für Austausch und Begegnung. Eine vielfältige Kulturlandschaft macht eine Stadt attraktiv, sowohl für EinwohnerInnen als auch TouristInnen und bietet darüber hinaus Raum für Erlebnisse, Erinnerungen und Geschichten. Der Verlust einer Kulturstätte mit so viel Tradition wie des Stadtgartens ist dabei besonders schmerzlich.

Was in Zukunft mit dem Gelände geschehen wird, steht momentan noch in den Sternen. Zwar plant die Stadtverwaltung eine neue Ausschreibung für die Eventstätte, doch nachdem die letzten beiden potentiellen InvestorInnen abgesprungen sind, ist das Interesse von Kulturschaffenden wohl bestenfalls fraglich. Falls der Versuch, neue BetreiberInnen zu finden erfolglos bleibt, wird das Gelände wohl anderweitig genutzt werden müssen.

Schade.

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