Ein ganzes Jahr UNGLEICH, so schnell kann’s gehen. Zur Jubiläumsfeier hatten wir für euch eigentlich einige Attraktionen geplant – Feuerspuckerinnen eingeladen, Merch bestellt, extra Geige gelernt, einen Ballsaal und eine Hüpfburg gemietet und natürlich wäre das alles auch von einem professionellen Fernsehteam gefilmt worden. Dass es jetzt nicht dazu kommen durfte, hätte niemand ahnen können. Wir trauern um das Jubiläum, das wir mit euch hätten feiern wollen.
Mit dem ersten Jahr UNGLEICH will aber trotzdem abgerechnet sein und dafür haben wir jetzt eben umso mehr Zeit. Alle Ideen, die gefunden und wieder verworfen wurden. Die spontanen Einfälle, die (fast) umgesetzt wurden. Die Planung für Dönerladen-Vernissagen. Und mitten drin wir mit unserem kleinen Magazin.
Die Reise begann genau vor einem Jahr, am 18. April 2019. Zum Release haben wir eine Party im Klanggerüst gefeiert, uns extrem Mühe gegeben und euch irgendwann auf der Bühne angetrunken erzählt, was wir so vorhaben. Bis heute sind wir davon überwältigt, wie viele von euch überhaupt gekommen sind. Diese erste Veranstaltung hat uns dann deshalb aber auch so geschafft, dass wir die Fotos, die Paul an dem Abend gemacht hat, nie veröffentlicht haben (ups!). Das wird jetzt nachgeholt und ihr findet einige von ihnen hier:
Ideen über Ideen
Als die Dinge anfangs ihren Lauf nahmen, waren wir noch jung, naiv und voller Tatendrang. Nicht alles, was wir uns damals vorgenommen haben, haben wir auch geschafft. So heißt es in unserem Mission Statement beispielsweise wörtlich: „Vielleicht finden wir heraus, bei welchem Schritt das Mensaessen von der meist guten Idee zu einem Unfall wird“ – leider immer noch eines der größten Rätsel. Oder auch: „Vielleicht betrinken wir uns mit einem Winzer aus der Region unter dem Vorwand, dass wir seine Weine testen wollen. Wir werden alle gemeinsam entdecken, was in den Orten passiert, in denen man als Erfurter normalerweise nicht ist – Quirla zum Beispiel oder Tambach-Dietharz“. Weder den Winzer noch Tambach-Dietharz hat irgendjemand von uns je zu Gesicht bekommen. Schade eigentlich. Und auch über den mysteriösen Abriss des TA-Gebäudes und Ü30-Partys durftet ihr noch nie lesen (aber diese Artikel sind „bald fertig“, sagt Jan seit etwa fünf Monaten).
Viele Ideen haben es aber nicht mal bis zu einem einzigen niedergeschriebenen Wort geschafft. Der Artikel über die Endstationen der Tramlinien zum Beispiel, für den Fabi und Annka einen Tag lang Fotos von Bahnstationen gemacht haben, um dann festzustellen, dass es wirklich undankbar wenig spannende Dinge über diese öden Orte zu erzählen gibt. Oder der Veranstaltungskalender, auf den zwar jede*r Lust, aber dann doch nicht genug Motivation hat, sich damit auseinanderzusetzen. Gleiches gilt für die Gesamtheit unserer Video- und Podcast-Spinnereien. Was nicht heißt, dass wir das überhaupt technisch auf die Beine stellen könnten – unsere Erfahrung mit dem Generator auf einem Lastenrad, der unsere Bühne für einen illegalen Spontanrave beim Campusfestival hätte sein sollen, hat uns gegenüber unserem Umgang mit allerlei Maschinerie überaus nachdenklich gestimmt. Gut, dass wir wenigstens kompetent Großbestellungen bei Flyerarlam abgeben können und das Festival alternativ mit ca. 3000 „Helen, willste reden?“-Flyern fluten konnten.
Kleine Fehltritte
Als ein paar Monate vergangen waren, merkten wir: Redaktionsarbeit und Organisieren, das ist echt manchmal anstrengend. Von jeder Seite wollten Menschen etwas von uns; entweder uns Geld geben oder von uns haben, unsere Artikel auf ihren Plattformen veröffentlichen oder gern einen Artikel über sich geschrieben haben. Meistens sind wir standhaft geblieben, aber es gibt ein paar Texte oder angenommene Einladungen, die wir lieber unter den Teppich kehren würden – hyperlokale Einkaufsapps beispielsweise, oder Salve TV (wir würden das Interview hier verlinken, aber deren Seite macht es wirklich unmöglich, einen Link zu teilen! Man muss “ungleich” in der Suchleiste eingeben).
Und noch etwas anderes würden wir lieber schnell vergessen: Im letzten Sommer hatten wir eigentlich ein neues Ressort ins Leben gerufen. Unter „Urlaub“ wollten wir von Bus-Pannen im Allgäu, entflohenen Ziegen in Portugal und vielen anderen belanglosen Dingen erzählen. Letztlich wurde genau ein Artikel in dieser Kategorie veröffentlicht, vielleicht auch weil es im Sommer manchmal weniger Worte und mehr Stille bedarf. Nichtsdestotrotz gibt es seitdem 2500 schwarz-weiße UNGLEICH Sticker, die wohl wirklich fancy aussehen sollen. Das sagt Samuel zumindest, die restliche Redaktion hat sie bisher noch nie zu Gesicht bekommen. Vielleicht wird es diesen Sommer was, oder sie bleiben für immer ein ungelöstes Mysterium. Unsere anderen Sticker haben es jedenfalls in viele andere Städte über die Grenzen Erfurts hinausgeschafft. Sie schmücken Clubs in Kassel, Laternenpfosten in Leipzig, Verkehrsschilder in Berlin, Toiletten im Millerntor-Stadion in St. Pauli und Versammlungsplätze in Buenos Aires. Man munkelt, dass sogar das Gipfelkreuz der Zugspitze unseren Sticker trägt.
Sekt, Pesto & Rechtsschreibung
Einige neue Mitglieder sind über die Zeit dazu gekommen und für die meisten liefen die Sitzungen wohl etwas anders ab, als sie es erwartet haben. Statt der reinen Planung der neuen Artikel fühlen sich die Sitzungen in etwa so an, als ob man sich mit seinen Freund*innen trifft, die zufällig auch noch dasselbe Hobby haben. Es gibt Sekt, Bier oder Tee und seitdem wir unsere Sitzung vom Speicher in unsere WGs verlegt haben, sind die Getränke günstiger geworden. Es kommt auch mal vor, dass wir Nudeln mit Pesto während der Sitzung essen, dabei kann man sich schließlich am besten konzentrieren!
Doch das Magazin steckt voller Gegensätze, denn unsere strikte Seite leben wir durch ein wöchentliches Protokoll und eine*n Sitzungsleiter*in aus, der/die dafür sorgt, dass am Ende der Sitzung auch ausreichend Artikel geplant und alles Wichtige besprochen wurde. Die meisten der neuen Mitglieder wurden von ihren Freund*innen zu einer Sitzung mitgeschleppt und konnten sich zunächst nicht richtig vorstellen, worauf sie sich da einlassen. Doch es kann passieren, dass sie in der ersten Sitzung „überzeugt“ werden, einen eigenen Artikel zu übernehmen – und zack ist man in der UNGLEICH-Sekte drin und kommt auch so schnell nicht wieder raus.
Viele fragen uns, wie viele eigentlich beim Magazin mitmachen. So genau wissen wir das auch nicht – Leute kommen und gehen, manche wollen nur ab und an was schreiben oder bei Veranstaltungen mithelfen. Während wir manchmal nur zu dritt bei der Redaktionssitzung saßen, stieg die Anzahl der Redaktionsmitglieder bei Veranstaltungen exponentiell (Sekt ist für Redaktionsmitglieder kostenlos). Dennoch sei an dieser Stelle nochmal erwähnt, dass wir eine offene Redaktion sind und wirklich jede und jeder bei uns mitmachen und Teil vom UNGLEICH magazin werden kann. Bringt auch eure Freunde mit: René hat beispielsweise zum Gläserwaschen während einer der Veranstaltungen bei Hasan aus wirklich absolut keinem Grund einen völlig betrunkenen Lastwagenfahrer mitgeschleppt, der eigentlich nur einen Döner wollte und am Ende beim Abtrocknenhelfen etwa fünf Gläser zerbrochen hat. Markus ist heute Ehrenmitglied der Redaktion.
Wie einige von euch mitbekommen haben, wird rechtschreibung bei uns kleingeschrieben. Wenn Fabi, Profi für Kommata und Syntax, unsere Texte nicht korrigiert, kann es schon mal passieren, dass Texte mit zweifelhafter Grammatik veröffentlicht werden. Darauf werden wir des Öfteren hingewiesen, Lernerfolge diesbezüglich konnten wir bisher noch nicht verbuchen, jedoch können wir nun mit rüpelhafter Kritik umgehen:
Doch ein Magazin ist immer nur so gut wie seine Leserschaft und ja, unsere ist kritisch und scheut sich nicht, uns auf Fehler oder Nichtgefallen hinzuweisen. Aber wisst ihr was? Das finden wir gut so, denn nur so lernen wir dazu (wir freuen uns aber natürlich auch wie Schneekönig*innen, wenn ihr uns mal lobt).
Ein großes Dankeschön & ein kleines Schulterklopfen
Sicher ist aber jedenfalls: Ohne Hilfe von außen hätten wir es nicht geschafft, ein Jahr durchzuhalten und unsere Ideen umzusetzen. Es gibt so viele Menschen, die wir viel zu selten erwähnen. Die uns das Jahr von dummen Ideen abgehalten oder auf neue gebracht haben, uns zur Metro gefahren und hinter uns aufgeräumt haben. Die immer einen guten Kaffee parat hatten, für uns die Mietpreise bei Veranstaltungen gesenkt haben, weil wir arme Studierende sind oder uns Tipps gegeben haben, wie man so einen Kulturförderungsantrag stellt. Wir wurden immer und überall mit offenen Armen begrüßt und auch von (den meisten) Alteingesessenen früher oder später akzeptiert. Das ist auf keinen Fall eine Selbstverständlichkeit und wir sind schon ein bisschen stolz, wie sehr wir uns in die Erfurter Kulturszene gemogelt haben und nun ein bisschen mitmischen können. Danke an alle: an das Klanggerüst, das Retronom, die Erfurter Kulturdirektion, den Speicher, die ständige Kulturvertretung, an alle DJs und DJanes, Künstler*innen, Musiker*innen, die bei unseren Veranstaltungen mitgewirkt haben, an Qualle, an Matze, an Hasan und an all die Freund*innen und Mitbewohner*innen, die immer wieder aushelfen und uns mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Neben all den Dingen, die wir ein bisschen vermasselt haben, gibt es auch genug Gründe, uns auch mal ein bisschen selbst zu feiern. Wir haben Helen gefunden und damit erstmals die Geschichte hinter dem Heiratsantrag am TA-Hochhaus aufgedeckt. Wir haben es meistens geschafft, an die drei Artikel pro Woche zu veröffentlichen. Manche wurden vielleicht nur von ungefähr drei Leuten gelesen, andere aber von über hundert. Wir haben euch viele Orte, Personen und Initiativen von Erfurt vorgestellt und inspirierenden Menschen eine Plattform geboten. Ernste, quatschige, und wichtige Texte geschrieben und mehr oder weniger hilfreiche Tipps veröffentlicht. Oder Vernissagen in Hasans Dönerladen veranstaltet, weil wir von den Bildern an seinen Wänden nach dem hundertsten Besuch dort gelangweilt waren und die Idee einfach witzig fanden. Sonnenblumen-Bilder mit gewagter Kunst austauschen, für Hasan kein Problem, denn (wörtliches Zitat): „Für mich ist jedes Körperteil normal. Penis, Vagina, Auge oder Leber. Alles hat ja einen Zweck, muss man nicht verstecken.“ Wegen seiner Kundschaft mussten wir dennoch die Bilder am selben Abend wieder abhängen. Nicht zu vergessen sei aber auch die Veranstaltung „ODD DIVERSITY“ im Retronom, bei der um 22.23 Uhr (!) schon Einlassstopp war und nur die involvierten Musiker*innen und J.P. gemerkt haben, wie unglaublich schlecht organisiert wir eigentlich waren (aber an 2,5kg Cocktailsnacks fürs Backstage haben wir gedacht).
Uns gibt es jetzt ein Jahr und das haben wir ganz allein geschafft, ohne jegliche monetäre Förderung, nur mit freiwilligem Engagement und viel Motivation. Darauf trinken wir mindestens 10 Sekt (ohne ihn vom Balkon runtersegeln zu lassen, wie beim Release… naja).
Das UNGLEICH magazin war (und ist) ein gemeinschaftlicher Versuch, eine Plattform in und für Erfurt zu bieten. Und wir würden sagen: Wir haben zwar nicht alles, aber vieles von dem geschafft, was wir uns vorgenommen haben. Und das Beste ist, wir haben noch ‘ne ganze Stange an neuen Ideen, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 5-99% im nächsten Jahr umgesetzt werden. Keine davon ist aktuell jedoch, eine Printausgabe zu veröffentlichen. Also hört bitte auf, uns danach zu fragen. Danke!
Bis dann, euer
UNGLEICH magazin.