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Corona-Semester 1.0

Das erste Corona-Semester neigt sich dem Ende zu. Wie war es für die Studierenden in Erfurt? Und wie lief das an anderen Hochschulen? Ein erster Rückblick.

Ihre Veranstaltungen schaut Claire (so heißt sie nicht, aber wir nennen sie mal so) dieses Semester in ihrer Erfurter Wohnung. Meist sitzt sie gemeinsam mit ihrer Mitbewohnerin in einem Zimmer; beide studieren Internationale Beziehungen in Erfurt. Wenn sie etwas nicht verstanden haben, konnten sie danach noch diskutieren und zur Not noch Freund:innen anrufen, um da nachzufragen. Ein Privileg, denn viele Studierende sitzen allein vor dem Computer und nicht alle haben Kommiliton:innen, die sie einfach anrufen können.

Besonders die, die eben erst an die Uni gekommen sind, können sich schwer vernetzen. Auch Claire vermisst es, andere Studis kennenzulernen: »Es fällt alles weg, wo man auch mal mit neuen Leuten redet.« Keine kurzen Plaudereien nach der Vorlesung, auf dem Weg zur Mensa oder in die nächste Veranstaltung. So kommt man noch schwerer aus der eigenen Blase raus als unter den üblichen Bedingungen.

Generell leiden die sozialen Kontakte, zeigt auch eine Studie der Universität Würzburg. Daraus folgt psychischer Druck für die Studierenden. Und der machte sich bei der Psychosozialen Beratung des Thüringer Studierendenwerks an der Universität Erfurt bemerkbar.

Finanzielle Ängste

»Circa ein Drittel der Ratsuchenden« hätte sich wegen der Pandemie-Einschränkungen an die Beratungsstelle gewendet, berichtet das Studierendenwerk, besonders Studierende mit chronisch psychischen Erkrankungen.

Im April und Mai sei es in den Beratungsgesprächen besonders um finanzielle Ängste gegangen. Und damit auch um familiäre Herausforderungen und das Gefühl zu vereinsamen. Claire glaubt, dass mehr Leute ihr Studium abbrechen als sonst. Solange das Semester läuft, lässt sich das jedoch noch nicht sagen, erklärt die Uni Erfurt auf Nachfrage.

Besonders hoher Workload

Die Frustrationsschwelle sinke, sagt Claire, vielleicht, weil das gemeinsame Auskotzen bei warmen Getränken im Café, der Sport oder das gemeinsame Feierngehen als Ausgleich fehlen? Stattdessen den ganzen Tag auf den Bildschirm starren. Neben ihrer Tastatur liege eine To-Do Liste, die sie sukzessive durchballere.

Mit dem Gefühl, dass der Workload höher ist als sonst, steht Claire nicht allein da. Dasselbe Gefühl hat auch die Soziologiestudentin Tina aus Gießen: »Es ist ein bisschen so, als ob die Professoren glauben, wir hätten nichts anderes zu tun und viel mehr Zeit als sonst.«

Mit den ersten Vorlesungen seien die Gespräche bei der psychosozialen Beratung in Erfurt zurück zu den Themen Studienstress und Prüfungsängsten gekehrt. Lange war unklar, wo das hingeht. Klausuren im Hörsaal oder der Turnhalle mit hunderten Menschen, das passt eigentlich nicht zum Coronavirus.

Am Computer spicken?

Ein Jurastudent aus Jena erzählt, dass sie es trotzdem so gemacht hätten: »Wir hatten einen der ganz großen Hörsäle, die für mehrere hundert Menschen ausgelegt sind. Ungefähr jeder 6. Platz war nicht mit Flatterband abgesperrt und es schrieb dann eben mit, wer sich angemeldet hatte«. So sei es vom Platz her kein Problem gewesen. Außerdem bekamen sie eine halbe Stunde Bearbeitungszeit auf die zwei Stunden drauf, um die störende Maske und den eingeschränkten Lehrbetrieb wett zu machen. Wer die Prüfung nicht bestand, bekam einen zusätzlichen Prüfungsversuch. Und für Risikogruppen habe die Universität Extralösungen angeboten.

Anders lief es bei einer Studentin der Internationalen Beziehungen aus dem nordrhein-westfälischen Kleve, die eigentlich einen Auslandsaufenthalt in Spanien gehabt hätte. Sie absolvierte ihre Prüfungen alle online, »mit Kamera und Mikro. Hat alles super geklappt«, resümiert sie. Zwischen 30 und 90 Leuten hätten gleichzeitig in einem Video-Call geschrieben. Wäre es da möglich, in einem anderen Programm am Computer zu spicken? »An sich schon, aber die Professoren konnten jederzeit verlangen, dass man seinen Bildschirm teilt.«

Open-Book-Klausur

An der Uni Erfurt schreibt Claire ihre Klausuren über das Programm WiseFlow. »Wir hatten am Anfang Bedenken, dass das Programm ein Video aufzeichnet und uns dann fälschlicherweise ein Betrugsversuch vorgeworfen wird, nur weil wir zur Seite aus dem Fenster schauen. Aber wir werden wohl nur fotografiert, um zu kontrollieren, dass die richtige Person vor dem PC sitzt«, berichtet sie.

Sie schreibt größtenteils sogenannte „Open-Book-Klausuren“, sie darf also in die Bücher schauen. Das sei zumindest entspannter für das Lernpensum. Vermutlich sind die Aufgaben dafür ein bisschen schwerer. Was ihr jedoch wirklich Sorgen macht, sind technische Störungen. Was, wenn der Server abschmiert, oder nur der einzelne PC?

Natürlich habe das digitale Semester Vorteile, zum Beispiel in Sachen Flexibilität. Aber wenn sie es sich aussuchen dürfte, wären ihr Seminare ganz analog in einem Raum der Uni lieber. Dort mache das Lernen viel mehr Spaß und sei effektiver. Und danach einen Belohnungs-Muffin bei der Glasbox. Aber das bleibt wohl zunächst nur ein wehmütiger Traum.

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