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Guter Ton für Erfurts Clubs: das Versus Festival

Matze und Lisa sind uns, wie vermutlich den meisten jungen Leuten in Erfurt, nicht völlig unbekannt – normalerweise treffen wir die beiden umtriebigen Kulturschaffenden auf einen Kaffee oder ein Bier in der Stadt, ein bisschen abhängen und quatschen. Am Donnerstagabend letzter Woche sitzen wir jedoch aus anderem Anlass in ihrer Küche und werden mit selbst geerntetem und gekochtem Gemüse aus Matzes Garten verköstigt. Wir wollen mehr über die Gruppe Versus wissen, mit der sie uns mindestens einmal pro Gespräch nerven. Nicht ohne Anlass allerdings: Die beiden organisieren eine Veranstaltung, das Versus Festival. Dreimal geplant und zweimal verschoben; am 26. September scheint der Wind für die Veranstaltung jetzt jedoch richtig zu stehen. Was wir an diesem Abend über die Gruppe Versus und ihr Festival erfahren, lässt auf eine bessere Zukunft für Erfurts Kultur hoffen.

DIE GRUPPE VERSUS

Die Gruppe Versus ist ein Kollektiv aus sechs Erfurter Kulturschaffenden. Gründe für die Zusammenkunft der Künstler*innen gibt es viele: ein ähnlicher Musikgeschmack, ähnliche Interessen, ähnliche Persönlichkeiten. Alle sind DJs, und alle sind eine Antwort der Kontrakultur auf den immergleichen Beat-Techno, der auf dem Weg zum massenfähigen Breitensport zu sein scheint. 

Nun ist das subkulturelle Leben in Erfurt nicht reich genug, als könnte man ihm guten Gewissens gezielt immer genau dort gegens Bein pinkeln, wo es nötig scheint – ein gesundes Wohlwollen gegenüber allen, die sich allen widrigen Umständen zum Trotz um die Erweiterung des kulturellen Spektrums in Erfurt kümmern, gehört zum guten Ton. Man unterstützt sich und arbeitet zusammen. Die Gruppe Versus ist deshalb auch kein Kollektiv aus kulturellen Freiheitskämpfer*innen. Alternative Räume jedoch zu denen zu finden, die heute vorhanden sind, gestaltet sich schwierig. Wer nach Rap sucht, geht ins Retronom. Wohin auch sonst? Wer nach Techno sucht, geht ins Kalif Storch. Wohin auch sonst? Die Musik, die man in Erfurt neu entdecken kann, ist jenseits von Rap, Techno und Indie schnell ausgehört. Und genau diese Grenzen sind es, die die Gruppe Versus neu setzen möchte. Hip-Hop, Breakbeat, Dubstep (bevor Skrillex ihn verunstaltet hat): Diese Musik findet mit der Gruppe Versus eine Plattform in Erfurt.

Für die Mitglieder – alle an ähnlichen, aber unterschiedlichen Stilen alternativer Musik interessiert – macht es deshalb nur Sinn, sich zusammenzuschließen. Um Energien zu bündeln, um gemeinsam und mit vereinten Kräften frischen Wind in unsere Ohren zu mixen. Und diese interne Diversität der Gruppe Versus ist alles andere als ein Hindernis – die Gruppe lebt den Kollektiv-Spirit wie keine andere: Genervt von Vereinsstrukturen und basisdemokratischer Entscheidungsfindung hat die Gruppe Versus von Anfang an entschieden, dass das Fundament des gemeinsamen Engagements der vertrauensvolle Alleingang ist. Wer eine Aktion planen will, kann das machen – die anderen tragen die Entscheidung mit. Es braucht Vertrauen und mitunter auch guten Willen, um das auszuhalten. Von beidem hat die Gruppe Versus jedoch reichlich, die Mitglieder kennen sich schon lange. Die Wurzeln der Gruppe Versus gehen in die glorreichen Tage der Frau Korte zurück. 

Versus Festival

Das Versus Festival ist das vertrauensvolle Alleingang-Projekt von Lisa und Matze. Wegen fehlenden, freiem Veranstaltungsraum und der Corona-Pandemie immer wieder verschoben, findet es nun am 26. September statt und ist eine Art Barcamp. In Panels und Workshops werden die Gegenwart und Zukunft von Erfurts Kulturszene diskutiert und Lösungen für allgegenwärtige Probleme erarbeitet. Die anschließende Afterparty wird in verschiedenen Locations, wie beispielsweise im Café Hilgenfeld und im Träumchen (Salinenstr. 34), gestreamt.

Dabei bietet das Programm des Versus Festivals mitnichten nur Stoff zum Nachdenken für die Szene selbst: Alle Themen betreffen auch kritische Clubgänger*innen, die sich mit den Dynamiken der Szene auseinandersetzen. Auf einem öffentlichen (lies: kostenlosen!) Panel diskutieren beispielsweise ein Veranstalter und ein Türsteher mit Teilnehmer*innen über Türpolitik – welche Verantwortung hat ein*e Türsteher*in? Welche Verantwortung hat ein*e Veranstalter*in für Aussagen und Entscheidungen, die die Türsteher*innen treffen?

In den Workshops wiederum wird aktiv die Diversifizierung der Szene vorangetrieben: Ein Rap-Workshop bringt Teilnehmer*Innen die Grundlagen des Raps bei – mit der Hoffnung, dass mehr Frauen den Schritt wagen, sich das Mikrofon zu greifen, um der männerdominierten Szene Einhalt zu gebieten. Dabei geht es auch um Sprachgefühl und Poesie. Beispielsweise. Und auch der Kreis Veranstalter*Innen soll diverser werden: In einem anderen Workshop werden Grundlagen der Veranstaltungstechnik und das Antragstellen bei Fördergeldern behandelt. Überhaupt ist die Nachwuchsförderung einer der zentralen Gründe für Lisa und Matze, das Versus Festival zu veranstalten. Nicht nur die zum Veranstalten notwendigen Skills, sondern auch das richtige kritische Mindset soll den werdenden Veranstalter*Innen beigebracht werden. 

Der Tenor aller Panels und Workshops ist: Diversity is key. Wer die Kultur eines Ortes mitformen darf, entscheidet sich an der Tür, denn gesellschaftliche Missstände lässt man nicht hinter sich, sobald man einen Club betritt. Deshalb ist die Türpolitik auch so relevant. Und auch Künstler*Innen, Booker*Innen und Barkräfte entscheiden mit, in welche Richtung eine Szene sich entwickelt.

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