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Die Universität Erfurt setzt den Rotstift an

Ausmaße und Folgen einer zweifelhaften Sparpolitik

Ein Gastbeitrag der Promovierendenvertretung der Universität Erfurt, Autor: Jan F. Grundmann

Eine Universität ist ein System. Es ist zu sehr vereinfacht, nur einen Bestandteil zu betrachten, denn die einzelnen Komponenten gehören zusammen, sind miteinander verwachsen. So wie kein reicher Mäzen den Erfolg eines Fußballklubs erkaufen kann, so ließ sich auch gute Forschung und Lehre nur mühsam errichten durch Menschen, die an gemeinsamen Ideen arbeiteten, sie weiterentwickelten und andere Menschen inspirierten und anlockten, um ebenfalls teilzuhaben an dem, was dann einmal ganz konkret unsere Universität Erfurt wurde.

Momentan sehen wir bedroht, was hier gewachsen ist, denn auch ein zeitweiser Einschnitt in dieses System kann dauerhafte Schäden anrichten.
Der Präsident Walter Bauer-Wabnegg erklärte, neben einem ohnehin schon vorgesehenen Einsparprogramm für die Jahre 2022 bis 2025 in Höhe von vier Millionen Euro, müssten zusätzliche zwei Millionen Euro für Mehrkosten beim Forschungsneubau auf dem Campus[1] aufgebracht werden. In diesem neuen Gebäude soll künftig u.a. das Max-Weber-Kolleg untergebracht werden. Darüber hinaus belaste die vom Landtag beschlossene Globale Minderausgabe die Universitätsfinanzen in den Jahren 2022 und 2023 mit 4,2 Millionen Euro und es müsse eine Reserve von etwa einer Millionen Euro gebildet werden, sodass es zu einem finanziellen Defizit in Höhe von zehn bis elf Millionen Euro für die Jahre bis 2025 komme. Globale Minderausgabe bedeutet: In allen Ressorts des Haushalts werden Ausgaben gekürzt, so auch im Bereich der Bildung und Wissenschaft.[2]
Als öffentlich-rechtliche Körperschaft kann sich die Universität Erfurt jedoch keine rote Null leisten, ihr stehen keine Sonderhaushalte zur Verfügung und sie kann keine außergewöhnliche Notsituation ausrufen. Ja, die Schuldenbremse – also alle Maßnahmen, die die Höhe der Schulden eindämmen sollen – greift hart und unerbittlich, doch wie konnte es so weit kommen und bei wem soll nun gespart werden?

Ohne abschließende Antworten geben zu wollen, so verweilen wir doch mit ungläubigem Staunen über die erste Frage, bevor sich uns die Augen nässen bei der Beantwortung der zweiten Frage.

Das sogenannte “Graue Elend” hinter der Turnhalle, in dem auch heute noch Nachwuchswissenschafler:innen ihr Büro haben. Von ihnen wird es an der Uni Erfurt künftig weniger geben.

Die Suche nach den Verantwortlichen

Es zeugt doch eher von einem kurzfristigen Planungshorizont und einem begrenzten Verantwortungsbewusstsein, wenn sich das zuständige Thüringer Wissenschaftsministerium (TMWWDG) aufgrund einer vom Landtag beschlossenen Globalen Minderausgabe – in einer zweifelsohne schwierigen politischen Konstellation – gezwungen sieht, Kürzungen im Budget einer so sensiblen Institution wie der Universität im bereits laufenden Haushaltsjahr vorzunehmen.
Im Land haben wir momentan eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung, die nur gemeinsam mit den Stimmen der Opposition einen Haushalt beschließen kann und so kam es zu einer Einigung mit der CDU, die so ziemlich in jedem Ressort Kürzungen vorsieht und auch keinen Halt vor der universitären Bildung macht. Die Regierungsparteien verteidigten sich uns gegenüber mit dem Druck durch die CDU, die lieber den ländlichen Raum gestärkt habe. Mit der CDU kam es leider zu keinem Gespräch zu dem Thema – auch wenn man immerhin (nach einer ersten Anfrage in Folge der Sparplanankündigung durch den Universitätspräsidenten am 18. Mai) Gesprächsbereitschaft signalisiert hat.

Es verwundert, wenn das neu und kurzfristig aufgelegte Kürzungsprogramm auch mit ohnehin vorgesehenen Einsparungen durch das Universitätspräsidium begründet wird, denn woher hätte die nicht geringe Summe von 4,2 Millionen Euro kommen sollen, wenn nicht weitere, verschärfende Entwicklungen hinzugekommen wären?
Es ist ganz sicher keine leichte Situation für die Leitung einer Universität, wenn der Präsident aufgrund von gesundheitlichen Schwierigkeiten in den letzten Monaten nur bedingt einsatzfähig war und der Kanzler bereits vor dem Abflug in ein attraktiveres Amt stand (und inzwischen eine Vertretung im Amt ist), aber Aufgabe dieser Personen ist es nun einmal eine langfristige Strategie zu entwickeln und die Universität resilient für kurzfristige Entwicklungen in der Umwelt zu machen und dies ist hier nicht zu erkennen.

Wie zuvor bereits erwähnt: Allein zwei Millionen Euro mehr werden für den Forschungsneubau erwartet. Dass Bauvorhaben teurer werden als zu Beginn geplant, ist nicht ungewöhnlich. Dass aber die Universitätsleitung und die politische Aufsicht sich darauf verständigt haben, die steigenden Kosten allein auf die Universität Erfurt zu übertragen statt das Risiko zumindest zu teilen, ist unüblich und als weiteres Scheitern von Präsident und Kanzler zu verbuchen. Ja, Corona war ein nie dagewesener Einschnitt, den Ukraine-Krieg sahen die wenigsten von uns kommen, wir erleben eine lange nicht gesehene Inflation, die am Bau früher einsetzte als in anderen Branchen und ganz zu schweigen vom Fachkräftemangel, ABER Krisen gab es zu jeder Zeit und natürlich treffen sie uns unerwartet. Deshalb betreibt jede moderne Organisation ein Risikomanagement. Für Institutionen, die in der Verteilung ihrer Aufgaben, in personeller und finanzieller Hinsicht besonders starr sind, heißt das: Risiken müssen umso gewissenhafter einkalkuliert werden, sodass sie nicht die finanzielle Lage der gesamten Universität in Gefahr bringen können, wie jetzt der Fall bei uns, an der Universität Erfurt. Punkt.

Der Forschungsneubau zwischen KIZ und Bibliothek wird um zwei Millionen Euro teurer als geplant. Die Kosten übernimmt allein die Universität.

Die Auswirkungen auf die Nachwuchswissenschaftler:innen

Weshalb wir als Promovierendenvertretung so alarmiert sind und um die Qualität unserer Universität fürchten, ist, weil wir uns fragen, wie diese finanzielle Lücke nun geschlossen werden soll. Von den elf Millionen Euro, die als Sparbedarf bis 2025 aufgebracht werden sollen, entfallen allein sechs Millionen auf die Nachwuchsforscher:innen; drei Millionen Euro sollen durch das Aussetzen der Stipendienvergabe und Einschränkungen in der Forschungsförderung und weitere drei Millionen Euro durch eine Wiederbesetzungssperre bei den Qualifizierungsstellen aufgebracht werden. Diese Positionen werden nicht von Personen eingenommen, die sich ihr Studium mit einer Promotion nett verlängern, weil sie keine Lust auf den harten Alltag in der freien Wirtschaft haben, sondern hier findet ein maßgeblicher Teil der Forschung statt, die den gesamten Lehrstuhl bereichert und von dort aus in die Forschungswelt und die Gesellschaft wirkt. Darüber hinaus bieten die Mitarbeitenden auf den Qualifikationsstellen wichtige Teile der Lehre an. Sie können durch Seminare und Übungen oft praktisches Wissen vermitteln, weil sie eine andere Nähe zu den Studierenden haben und mit einem frischen Blick Lehrkonzepte entwickeln, die nah am Puls der Zeit sind (nicht selten tun sie dies auf Teilzeitstellen mit unbezahlten Überstunden, weil es ihr eigener Anspruch verlangt). Von diesen Stellen sollen nun im Zeitraum bis Ende 2025 durchschnittlich 21,8 Prozent unbesetzt bleiben. Im Jahr 2023 liegt der Durchschnitt der geringeren Stellenzahl gegenüber dem bisherigen Stellenplan laut Berechnungen des Präsidiums sogar bei 30,6 Prozent.

Bei diesen Nachwuchswissenschaftler:innen bedeutet eine Reduktion der Stipendien und Stellen, dass in dieser Zeit Personen mit ihrem über Jahre in der Institution Universität Erfurt erworbenen Wissen ausscheiden und dieses nicht mehr an ihre Nachfolger:innen weitergeben können. Sie haben gelernt, wie man sich Forschungswissen aus der Literatur aneignet, wie sich Daten erheben und auswerten lassen oder wie Forschungsanträge erfolgreich beantragt werden können. Dieses Wissen verlässt mit diesen Personen die Universität Erfurt und bleibt ohne Nachfolgende, die es weitertragen können. Dies ist ein schrecklicher Verlust, der auf Dauer bestehen bleibt und doch so leicht zu übersehen und ganz und gar nicht (kurzfristig) zu ersetzen ist.
Alle Wissenschaftstreibenden – einschließlich Professor:innen und Studierende – trifft darüber hinaus die Einsparung von 1,1 Millionen Euro bei Universitäts- und Forschungsbibliothek, die für weitere Anschaffungen von Zeitschriften und Literatur nicht zur Verfügung stehen. Auch dies sind noch einmal 10 Prozent der Einsparungen, die auf eine Kernaufgabe der Universität entfallen.

Wo wird außerdem gespart?

Die weiteren Einsparungen treffen mit 1 Millionen Euro die zentralen Stellen der Verwaltung, 0,8 Millionen Euro den Sachaufwand in Fakultäten und wissenschaftlichen Einrichtungen und 1,4 Millionen Euro sind bei der zentralen Beschaffung von beispielsweise Büromaterialien, Lehraufträgen, besonderen Leistungsbezügen und dem Personalkostenbudget des Max-Weber-Kollegs (letzteres trifft auch wieder Nachwuchswissenschaftler:innen) als Einsparungen vorgesehen. 

Na und? 

Die Folgen dieser Einsparungen werden sicherlich nicht den Fortbestand der Universität Erfurt gefährden und nach Außen vielleicht auch gar nicht so sichtbar sein. Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier gravierende Eingriffe in die Qualität von Forschung und Lehre vorgenommen werden, die ein gewachsenes System um einige starke Wurzeln bringen und manch morsche Stelle im Gehölz hinterlassen wird.


[1] https://www.uni-erfurt.de/universitaet/aktuelles/meilensteine/forschungsneubau

[2] https://www.bundestag.de/services/glossar/glossar/G/glob_minder-245450

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