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Das Revival der Schallplatte

Während die Elterngeneration in den Mid-50ern uns wahrscheinlich wehmütig fragen würde, ob wir das Knacken beim Auflegen einer Platte (Betonung liegt auf: ) noch kennen, sind diejenigen, die fragen, ob wir es schon kennen, am Zahn der Zeit. Nein, die GenZ hat keine nostalgischen Erinnerungen an eine Vergangenheit mit sich drehenden Tellern, die auf mystische Art und Weise Musik machen, ist aber auf Wiederentdeckungsreise gegangen. Menschen mit weiten Hosen, ausgetretenen Sneakern und bunten Stricksocken tummeln sich an Flohmärkten um Stände, an denen sich die unhandliche, zerbrechliche Platte für mehr oder weniger Geld erwerben lässt. Der Schallplattenspieler hat Einzug in jedes WG-Zimmer gefunden, das eines auf sich hält: Stil.

Alles beim Alten

Die Frage bleibt, ob diejenigen, die authentischer Weise ihre Vergangenheit mit Platten teilen, von der gesellschaftlichen Aufwertung mitbetroffen sind? Ist es wie bei den Omis, deren Kleidung an jungen Menschen hochgehalten, an ihnen selbst aber kaum gewürdigt wird? Ist das Dasein unter 30 unbedingte Voraussetzung für den Stilfaktor? Während die vorherige Generation auf eine konservative Art und Weise Altem verhaftet bleibt – was ihnen seitens der Jugend meist negativ angekreidet wird – kann sich die junge Generation mit einer Neuentdeckung schmücken. Und diese geht Hand in Hand mit Second Hand Shops, Analog-Kameras und Sauerteigbrot backen.

Schließlich muss anerkannt werden, dass sie alles andere als praktisch sind. In Zeiten platzsparender Smartphones, die alles können und Kameras, Kalender, Notizbücher, Walkmans, CDs, Radios, … überflüssig machen, fällt so eine Platte sehr aus der Reihe. Allein 5 Tonträger ergeben einen XXxXXxXX hohen Stapel, der verstaut werden muss. Und dabei bleibt es ja nicht. Einmal auf den Geschmack gekommen, macht das Plattenshoppen der konsumabgeneigten Szene erstaunlich viel Spaß, gerade weil es so eine große Auswahl an Platten aus zweiter Hand gibt, auf die man (auch hier in Erfurt ) zurückgreifen kann. Nur wenn es dann mal die neue LP von Mayberg (kommt am 19. April übrigens hierher) sein muss, dann muss tief in die Tasche gegriffen werden, unter 20€ kommt man selten davon. Und dann ist es darüber hinaus noch ein aktives und kurzes Hörerlebnis ist, das alle 20 Minuten Aufstehen erfordert, um weiterhin Zeug:in des gleichen musikalischen Spaßes zu werden. 

Was die Schallplatte mit sich bringt

Aber ja, ich bekenne mich schuldig. Auch ich gehöre zu den Verfechter:innen des Plattenhypes. Denn schlussendlich gibt es nichts Schöneres, als Musik bewusst wertzuschätzen. Sich auszusuchen, welche Platte der Stimmung entspricht, gehört werden will und welches Cover, welcher Titel, welche Band dazu gehören. Spotify ist schön und praktisch und gut für unterwegs oder schnell wandelnde Gemüter. Meine musikalischen Vorlieben wurden durch Spotify so sehr zerschlagen, dass von allem etwas und gar nichts so richtig geblieben ist. Eine liebevolle Auswahl an Platten bringt mich immer wieder auf den musikalischen Boden der Tatsachen zurück. In Kombination mit einer tollen Anlage und Boxen, die etwas hergeben, ist das Erlebnis – ja bestimmt ist das nur Placebo – um einiges bewegender als jeder MP3-Sound vom Handy. Den Kopf zwischen zwei großen Boxen auf dem Teppich liegend ist Musik mit Tiefe dann überall um einen herum. Überzeugt euch selbst!

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