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Ist das Weltkulturerbe oder kann das weg?

Poetry-Slam. Dichter:innenschlacht. Wortwettkampf. Wenn ich meinen Kolleg:innen auf Arbeit erzähle, was ich neben meinen Studium so mache, stoße ich meist auf Unverständnis. „Du trittst also mit einem Text gegen andere Texte an? Und die dauern nur 5 Minuten? Warum geht man da hin?“ Gute Frage Sibylle (Name geändert, hab Euch lieb Sibyllen), gute Frage. Die einfache Antwort: Weltkulturerbe. Aber wie es dazu gekommen ist und was der IKEA Erfurt damit zu tun hat beantworte ich Euch in folgendem Artikel. Aber erstmal schauen wir uns Poetry-Slam als solchen an.

Poetry-Slam als alteingesessene Szene? Eher nicht.

Nachdem die in der Slamszene verpönte Julia Engelmann der Gesamtbevölkerung erzählt, dass wir eines Tages alt sein werden, Baby (ok?), erlebte die deutschsprachige Szene eine nie da gewesene Zuschauer:innenexplosion. Wie Gartenkresse spross aus jedem Dorf eine neue Veranstaltung, aus der alteingesessenen Szene entwickelte sich ein linkes, wildes und dynamisches Konglomerat aus Best-of-Slams, Science-Slams, Jazz-Slams, Dead-or-Alive-Slams und Regular-Ass-Poetry-Slams (wir haben da immer noch große Probleme mit Diversität, das hat Shafia Khawaja in einem Alpha-Artikel sehr präzise beschreiben). Zudem gibt’s beim Slam mittlerweile auch sehr viel mehr als die melodischen Sing-Sangs-Reimketten oder Felix-Lobrechtesqueen Stand-Up Witze. Entgegen dem gesellschaftlichen Klischee, dass Poetry-Slam sich entweder reimt oder lustig sein muss gibt es unzählige Poet:innen, welche sich in der undefinierten Kunstform in jede Richtung ausprobieren oder bereits gefunden haben. Wobei ich bis heute nicht weiß was in den Texten von Jann Wattjes passiert, das ist aber auch gut so. 

Jedoch gelingt der (durch Szenestar Jean-Phillipe „Joppel“ Kindler anhaltende) Durchbruch nur bei den üblichen Rezipienten: Studierenden, Lehrer:innen und Julia Engelmann Fans. Deshalb schaue ich auf Arbeit immer noch in rätselnde Gesichter, welche versuchen den Anglizismus hinter Poetry-Slam zu entschlüsseln. Vor allem in Thüringen gibt es eine gewisse Resilienz gegen eine gediegene Slammung (Szenenbegriff). Obwohl die großen Ballungszentren Erfurt, Weimar, Eisenach und Jena monatlich bespielt werden, mangelt es in der ländlichen Gegend an Möglichkeiten, Budget und Interesse an der Kunstform. Wie schon Katzenkrimiautor Fabian Navarro in einer Rekapitulation der Deutschsprachigen Meisterschaften im Poetry-Slam von 2022 sagte: 

„Das R in Poetry-Slam steht für Rechtfertigungsdruck“, die mangelnde popkulturelle Etablierung der Veranstaltungsform führt dazu, dass wir Veranstaltenden bei neuen Städten, Dörfern und Arbeitskolleg:innen erstmal erklären müssen, was wir da machen und warum wir das brauchen. Die Antwort darauf kann ich hier schlecht beschreiben, am besten schaut Ihr einfach mal selbst auf einem Poetry-Slam vorbei. Durch die unermüdliche Arbeit des Erfurter Highslammer e.V. ist das auch weiterhin und umso mehr in Thüringen und explizit Erfurt möglich. Ob ihr nun den Spill-the-Beans Poetry-Slam in der Mehlhose besucht, welcher regelmäßig mehrere Wochen im Voraus ausverkauft ist oder ob Ihr auf dem zweiten Friedrichrodaer Poetry-Slam am 8.7. oder am 9.7. auf den Slam gegen Rechts im Kloster Vessra vorbeikommt – macht Euch einfach selber ein Bild, ich werde auch da sein. Vielleicht habt Ihr ja auch Lust auf die Thüringer Landesmeisterschaften im Poetry-Slam vom 11-13.5. im Kassa in Jena oder ihr kommt vorher am 10.5. in die Cafethek auf den BIB SLAM vom UNGLEICH Magazin, auch eine Idee. Eine gute sogar. Ich darf den nämlich modieren. Cool.

Für meine Kolleg:innen bei IKEA habe ich derweil auch einen Text über die verschiedenen IKEA-Kund:innentypen geschrieben, welcher beim Abteilungstreffen im letzten Jahr großen Anklang fand, woraufhin wir Ende 2022 drei Veranstaltungen im IKEA Erfurt organisierten – und wenn der IKEA Erfurt Poetry-Slam kann, dann können wir alle mehr davon haben. Oder es gibt einfach Hotdogs für alle, aber das wird sich schwieriger gestalten. Poetry-Slam ist halt auch immaterielles UNESCO Weltkulturerbe, also lasst uns mal mehr Kultur machen. Schreibt mir einfach. Oder dem Highslammer e.V., aber lasst uns mehr Kultur und mehr Slam machen. Für die Kinder; die Lyrik, die Prosa vielleicht – oder einfach für uns.

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