Seit einigen Wochen überdeckt ein Transparent der CG Gruppe die Mauern des alten Hochhauses der Thüringer Allgemeinen, wo einst ein Heiratsantrag stand. Wir berichteten. In magentafarbenen Lettern steht dort nun „Chance 4“ geschrieben. Es wird gebaggert, gebohrt und ordentlich Baustaub durch die Gegend gepudert.
„Menschen wandeln sich. Ihre Bedürfnisse auch. Warum nicht auch Gebäude.“
Dieser wahnsinnig kecke Marketingspruch stammt aus den Federn der CG-Gruppe, die sich für den Kauf und die Sanierung des alten TA-Hochhauses verantwortlich zeigt. Die CG-Gruppe ist eine Immobilienentwicklungsgesellschaft mit Sitz in Berlin und ein börsendotiertes Unternehmen mit Projekten im Wert von über 1 Milliarden Euro. Das Unternehmen zählt derzeit über 700 Mitarbeiter*innen und ist bekannt für Projekte wie u.a. das COLONEGO Quartier in Köln (Verkaufsvolumen 850 Mio. Euro), die NewFrankfurt Towers in Offenbach (Verkaufsvolumen 218 Mio. Euro) und das Quartier am Veltmanplatz in Aachen (Verkaufsvolumen 23,4 Mio. Euro), was im übrigen Uni-nahes Wohnen an der RWTH ermöglichen soll, für schlappe 15,75€ pro Quadratmeter.
CG Gruppe – Immobilien neuer Dimension
In Leipzig, da wo alles begann und die CG-Gruppe nach eigenen Angaben mittlerweile jede dritte Wohnung baut, hat sie im letzten Jahr (mal wieder) ein neues Grundstück gekauft. Südlich des Bayrischen Bahnhofs, zwischen Süd-Vorstadt und Zentrum Süd-Ost bis hin zum Gelände des MDR entsteht ein neuer Stadtteil. Der erste Kult-Club, die Distillery, musste bereits weichen, dafür entstehen dort 1.600 Wohnungen, drei Schulen, Turnhallen, Kitas und rund 150.000 Quadratmetern Gewerbefläche. Das klingt zunächst einmal nach einem fairen Deal, zumal die Distillery bereits neue Räumlichkeiten gefunden hat. Grünflächen in Form eines Stadtparks soll es auch geben und Wohnraum braucht es gerade in Leipzig ja ohnehin. Das Problem ist nur, dass die Stadt an dem, was da entsteht, kaum Anteile hat und somit auch in Sachen Mietpreis recht wenig zu melden haben wird. Christoph Zenker (SPD) begrüßt zwar das Vorhaben des Baus von 360 Sozialwohnungen – was die CG-Gruppe allerdings unter „sozial“ versteht, bleibt abzuwarten. Der Blick nach Köln, Offenbach und Aachen lässt vermuten, dass es auch in Leipzig teurer wird, als man es bisher gewohnt war.
In Thüringen ist sie mittlerweile also auch angekommen, die CG-Gruppe. Erfurt erlebe als Landeshauptstadt Thüringens eine überaus dynamische Entwicklung: „Eine der schönsten Altstädte Deutschlands wurde bereits 2014 mit dem Deutschen Städtebaupreis ausgezeichnet.“ Der im Frühsommer 2018 verkündete Schritt nach Erfurt zu gehen, sei für die CG Gruppe insofern nur folgerichtig, heißt es auf der Internetseite der Firma. Neben dem Projekt rund um das TA-Hochhaus zeigt man sich außerdem für familienfreundliche Wohnungen in der Max-Reger-Straße verantwortlich, umringt von Wirtschaftsministerium, Bundesbank und Agentur für Arbeit mit Blick auf die APS. Dort entstehen bis 2022 in drei Neubauten 85 Wohnungen, 99 Tiefgaragenplätze und ein großflächig angelegter Innenhof. Über die Preise für die jeweiligen Wohnungen ist bisher nichts bekannt, das Verkaufsvolumen liegt bei über 30 Millionen Euro.
Eine ähnlich große Zahl, wie bei der „Revitalisierung“ des TA-Hochhauses, das Hochhaus selbst und Zwischenbau sollen saniert werden, das Druckereigebäude wird oder ist bereits abgerissen, dafür entsteht ein Neubau mit Tiefgarage. Am Ende sollen sowohl Wohnungen sowie Büroräume, also Gewerbeflächen entstehen, und das bis Ende 2020.
Auf der Website der CG-Gruppe ist ein Image-Video der Firma zu sehen: „Ein kurzer Film über das Glücklichsein“ (04:21 Minuten, die „Short-Version“ ist 03:56 lang).
Glücklichsein
In diesem Film zu sehen, sind eine junge Mutter, die den Frühstückstisch für ihre Kinder deckt, ein noch jüngerer Mann, der ein Werk von Ellroy liest und eine junge Frau mit Berlin-Mitte-Standard-Frisur, die die Türen zu ihrem Café aufschließt, natürlich dekoriert mit großen Glühbirnen. Untermalt wird das Ganze von epischer Orchestermusik und Drohnenfahrten über Frankfurt, Leipzig und Berlin. Bei all diesen schönen, glücklichen, weißen Menschen denkt man sich sofort: Alter, Gentrifizierung ist richtig geil! Danach fragt man sich, wer eigentlich dieser mittelalte weiße Mann ist, der noch ein bisschen glücklicher aussieht als die Menschen in den schönen Wohnungen.
Dieser Mann ist Christoph Gröner, Vorstandsvorsitzender der CG-Gruppe und ja, seine Initialen schmücken den Namen der Firma, den Cappuccino in seinem Büro und nun auch das TA-Hochhaus am Juri (hoffentlich hat Helen nicht ihn geheiratet). Wenn man Christoph Gröner so sieht, denkt man sich zuerst: Ich wusste gar nicht, dass man Shampoo auch trinken kann? Und fragt sich zweitens, ob Bauunternehmer*innen (welch Ironie hier zu gendern) wirklich so viel Geld verdienen, wie immer gesagt wird. Spoiler: Ja tun sie! Gröners geschätztes Vermögen lag im Jahr 2018 bei über 80 Mio. Euro, dazu kommen noch seine Firmenanteile und private Immobilien.
Gröner ist ein Selfmademan, das sollte und muss an dieser Stelle kurz erwähnt werden. Er war einst der einzige Mitarbeiter seiner Firma, die er 1990 in Karlsruhe gründete, damals noch ein Unternehmen für Bauhilfsdienste. Er studierte Maschinenbau (abgebrochen), hat kein großes Vermögen geerbt und seine Firma selbstständig groß gemacht. 1995 war er mutig, ging nach Leipzig als alles marode und günstig war, er gründete sein erstes Einzelunternehmen, einen Sanierungsbetrieb und machte das, was er am besten kann, nämlich kaufen, bauen und sanieren – bis er 2007 seine erste Quartierentwicklung in Plagwitz umsetzte. Das klingt nach der klassischen alten Geschichte, kommt ein selbstbewusster Wessi in den Osten, wo keiner einen Plan von der freien Marktwirtschaft hat (natürlich nicht) und mischt sich mal ein bisschen ein. Es ist genau diese Geschichte, vielleicht ein extremer Fall, aber sie hat wunderbar funktioniert, auserzählt ist sie bis heute nicht.
Nach eigenen Angaben ist Christoph Gröner in seinem beruflichen Leben drei Tage wegen Krankheit im Bett geblieben. Nachts schlafe er meistens nicht mehr als fünf Stunden, aber so werde man nun mal zu einem gesellschaftlichen Leistungsträger. Der 51-Jährige ist verheiratet und Vater von vier Kindern, alle besuchen private Schulen und Internate. Er setzt sich aber auch ein für Kinder, denen es nicht so gut geht wie seinen eigen, zum Beispiel beim Berliner Verein Laughing Hearts. Ob Spendengalas mit Champagner und Austern nötig sind, um von seinem eigenen Geld ein bisschen was für den guten Zweck abzugeben, bleibt diskutabel. Grundsätzlich kann man aber immer sagen: besser als nichts. Von seinen Geldern werden Spielplätze und Fußballfelder für Jugendbetreuungen in Problemvierteln gebaut, wo Kinder leben, deren Eltern es nicht „schnackeln und nichts auf die Reihe bringen“, so Gröner. Das ist eine gefährliche Aussage und ein schwieriger Generalverdacht, wenn man in einem Sozialstaat lebt, der es Menschen in der untersten Nahrungskette kaum erlaubt dort rauszukommen, mögen ihre Bemühungen noch so groß sein. Manchmal schnackeln es Eltern also sehr wohl, haben aber leider zwischen ihren zwei Jobs, Einkaufen und dem Deutschkurs nur wenig Zeit, um die Kinder am Nachmittag zu betreuen und mit ihnen in Parks zu gehen. Engagement in allen Ehren, aber Spenden machen einen nicht zu einem besseren Menschen. Der Blick über den Tellerrand hinaus und das Verstehen von Problemen ist oftmals eine größere Stärke als Geld. Das Diskreditieren von Eltern, weil sie ihre Kinder anders, ja vielleicht sogar manchmal „schlechter“ erziehen, als man es selbst tut, hat noch keine Gesellschaft weiter zusammengebracht, die Ungleichheit bekämpft. Vor allem nicht, wenn man nicht persönlich mit ihnen redet.
Ein Mann und seine Worte
Eine Doku des WDR und docupy lässt einen großen Einblick in das Leben dieses Immobilienmoguls zu, sowohl in das private als auch das geschäftliche Leben. Natürlich wäre es im Zuge eines solchen Artikels professioneller, sich der geschäftlichen Seite Gröners und der CG-Gruppe zu widmen. Weil das aber erstens sowieso keine*r unserer Leser*innen von uns erwartet, es sich zweitens halt doch wieder nur um eine Baustelle in der Stadt handelt und drittens Christoph Gröner nicht nur wahnsinnig erfolgreich und sozial, sondern auch ein richtig sympathischer und dufter Typ ist, folgen nun die besten fünf Zitate von Mr. CG.:
Die folgenden Aussagen könnten für Einzelne verletzend und diskriminierend sein. Sie dienen der Illustration einer Persönlichkeit, werden dabei aber nie unkommentiert wiedergegeben.
Gröner zum Thema „nicht-Arbeiten“ wegen Krankheit etc.:
„Wenn meine Frau mit mir Krach macht und mich die Nacht nicht schlafen lässt, bin ich bei der Arbeit.“
Diese Ehefrauen aber auch immer! Wirklich unmöglich.
Gröner über ein Bauprojekt an der Rigaer Straße in Berlin:
„Wir haben hier 35/40 qm Wohnungen, die kann sich jede Krankenschwester sogar bei 14€ den Quadratmeter leisten, wenn die nur gut genug ausgerichtet ist.“
Dank Corona wird uns ja allen gerade wieder bewusst, wie toll Menschen im Gesundheitswesen bezahlt werden. Dann gibt es halt mal ein KaDeWe-Einkauf weniger die Woche!
Gröner in seiner Loge im Leipziger Stadion (RB Leipzig):
„Wir in der Loge sorgen durch unsere hohen Beiträge, dass deren Karten günstiger bleiben. Wenn der also 20€ für seine Karte zahlt, zahle ich 2.000€. Das ist doch eine gewisse Gerechtigkeit, oder?“
Lass doch einfach alle zwischen 20€ und 100€ für die Karte zahlen, dann muss auch keiner so tun, als wären Bier aus dem Plastikbecher und Kaviar eine leckere Kombination.
Gröner über unser Schland:
„Ich finde, es gibt keine geilere Gesellschaft als das, was wir hier in Deutschland haben.“
Ich fände jede Gesellschaft, die nicht täglich die Augen vor Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Ableismus verschließt ein bisschen geiler.
Gröner zu einer Sozialarbeiterin:
„Sie sind unsere wahren Helden, auch ungeschminkt.“
Zum Glück sind wir endlich in einer Zeit angekommen, in der die Arbeit von Frauen nicht mehr auf ihr Aussehen reduziert wird.
Das mag jetzt alles ein bisschen übertrieben und verbittert klingen. Im Grunde geht’s ja hier auch nicht um Gröner und das, was er (auch als politisch sehr einflussreicher Mann) so in irgendwelche Kameras rülpst. Im Grunde geht es einfach darum, dass man nicht mehr in die alten Ruinen des TA-Hochhauses einbrechen kann, um nach dem Feiern Sonnenaufgänge zu beobachten. Es geht darum, dass sich solche Bauunternehmer*innen in den Städten niederlassen und Mietpreise in die Höhe treiben, der Politik sind dabei tatsächlich oftmals die Hände gebunden, weil Geld immer noch das beste Mittel zum Zweck ist. Sowohl das dann neue TA-Hochhaus als auch die Siedlung an der Max-Reger-Straße werden bestimmt sehr schick und modern aussehen, aber Krankenpfleger*innen werden vermutlich erstmal nicht einziehen. Wir leben in einer Zeit, in der aus dem Grundrecht von Menschen, ein Obdach zu haben, ein Wettbewerb gemacht wird. Es geht darum, dass Städte von Menschen neugestaltet werden, die auf Grund ihres eigenen Reichtums völlig das Gespür dafür verloren haben, was Mieter*innen am Leben und Wohnen wirklich wichtig ist, womit und worin sie sich wohl fühlen. Im Grunde geht es darum, dass durch solche Projekte (siehe Leipzig und Berlin) die Ungleichheit in unserem Land immer größer wird, es geht um soziale Segregation, und vielleicht ist das in Erfurt erst der Anfang. Vielleicht geht es hier auch ein bisschen um Helen, wäre das nämlich mein Heiratsantrag, der einfach weggemörtelt wird, wäre ich ziemlich sauer. Der erste Heiratsantrag, der dann am neuen TA-Hochhaus steht, könnte es wiederum zu ziemlich großer Berühmtheit schaffen, wir würden berichten. Be careful, boys and girls.
Quellen und Tipps:
So ist das Leben eines deutschen Millionärs – Ungleichland (1/3): Reichtum | WDR Doku: https://www.youtube.com/watch?v=2Y2WxM2Srlc&t=1068s
Chancen gegen Geld: Wie gerecht ist Deutschlands Schulsystem? – Ungleichland (2/3): Chancen | Docupy: https://www.youtube.com/watch?v=zF0lzs9RpMg&t=900s
Reich und mächtig: Wer regiert Deutschland? – Ungleichland (3/3): Macht | Docupy: https://www.youtube.com/watch?v=H9NeRP4hvy0&t=1s
Wie viel Macht hat dieser Mann? | Zeit Magazin: https://www.zeit.de/zeit-magazin/2018/19/christoph-groener-bauunternehmer-mietwohnungen-reichtum
CG Gruppe | Standort Erfurt: https://www.cg-gruppe.de/Standorte/Erfurt