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„How to find your first WG”

Kaltmiete, Kettenvertrag und Kündigung: Eine Kurzanleitung zur Wohnungs- und WG-Suche in Erfurt.

Eine neue WG oder eine neue Wohnung zu beziehen ist eine aufwendige Angelegenheit. Damit ihr die Übersicht behaltet und euch über eure Rechte im Klaren seid, haben wir euch eine kurze Übersicht zusammengestellt, welche euer Leben erleichtern und Stress vermeiden soll.

Auch Lukas stand vor dieser Aufgabe. Im August 2019 wollte er sich in Erfurt eine Bleibe suchen, um dann Mitte September einziehen zu können. „Ich habe gedacht, das wäre eine gute Idee, damit ich mich schon mal ein bisschen einleben kann, bevor die Uni losgeht.“ Aber es war keine gute Idee. Wo soll man auch Leute kennenlernen, wenn noch kein:e andere:r Ersti in der Stadt ist und man niemanden aus den höheren Semestern kennt.

Die Anzeigen-Jagd

Wenn ihr die Anzeige lest, macht euch Gedanken darüber, was für ein Zimmer und was für eine Größe ihr wirklich braucht. Eine größere Wohnung ist stets mit höheren, oft erst versteckten, Kosten verbunden. Prüft, ob es sich bei dem Preis, welcher für das Mietobjekt festgelegt ist, um die Kaltmiete, die warme Miete, oder die Gesamtkosten handelt. Wenn es sich um die Kaltmiete handelt, fehlen noch weitere Kostenpunkte (ggf. Strom und Gas, weitere Betriebskosten), welche je nach Größe, Energieeffizienz der Wohnung und Anzahl der Bewohner:innen stark variieren können und den Gesamtpreis dadurch verzerrt darstellen. Insbesondere wer in eine WG zieht, muss sich auch darüber Gedanken machen, was im Zusammenleben Deal Breaker für einen selbst sind – diese Punkte sollte man direkt im ersten Gespräch klären (natürlich nicht direkt mit einer Erwartungshaltung, sondern einfach nebenbei ansprechen, dass ihr es zum Beispiel gerne sehr sauber habt), damit sich alle sicher sind, dass sie auch gut zusammenwohnen können.

Die Besichtigung

Der erste Eindruck ist bekanntlich entscheidend. Dies gilt besonders für die Besichtigung von Mietobjekten. Hier mal ein paar Hinweise, auf was man achten sollte: In welchem Zustand sind die Wände, Decken, Böden? Wenn dort bereits Mangelerscheinungen auftreten, muss das unbedingt vermerkt werden. Achtet darauf, dass ihr eine unterschriebene Kopie der Mängelliste bekommt. Wenn ihr nichts dazu sagt, gehen Mängel, die eure Vormieter verursacht haben, automatisch auf euch über. Am besten von allem auch Fotos machen – so kann man später beweisen, wie die Wohnung zum Zeitpunkt des Einzugs aussah. Weitere Mängel, welche in Form von „Schönheitsreparaturen“ auf euch zurückfallen könnte, finden sich an Türen, Tür – und Fensterrahmen und Heizungsrohren. Um den Zustand der Wohnung vergleichen zu können, braucht ihr das Übergabeprotokoll. Schaut unbedingt nach, welche Reparaturen ihr laut Mietvertrag selbst übernehmen müsst – alle Mängel sollten nur nach „mittlerer Art und Güte“ repariert werden müssen – sonst kann es am Schluss sein, dass ihr Fachkräfte bezahlen müsst, was ein normales Studenten:innenbudget übersteigt.

Sämtliche Mängel könnt ihr nutzen, um vom Vormieter einen Nachlass der Kaution zu verlangen. Das ist fair, wenn der Vormieter Mängel hinterlässt und diese rechtlich auf euch übergehen.

Lukas hat sich viele WGs angeschaut, immer wieder wurde ihm abgesagt. Und dann war er in dieser einen Wohnung. Er hat mit den Mitbewohnern gleich gematcht, die Stimmung war gut, das Zimmer groß (der Preis vernünftig) und es gab eine Dachterrasse – „Das war natürlich ein großes Update zu meinem Jugendzimmer.“ Deshalb hat er die Signale auch nicht so richtig beachtet: Die schwierige Art des Vermieters, den Kettenvertrag, der die drei Mitbewohner zu einer rechtlichen Einheit macht und alle vorherigen Mieter:innen in diese Einheit miteinschließt: „Wir mussten also für die Dinge haften, die alle Vormieter:innen versaut haben und auch für uns gegenseitig“. Dazu kam noch die Drohung der Kündigung, wenn es so weitergeht wie mit den Vormieter:innen.

Lukas: „Mein Dad war auch nicht so überzeugt von dem Vertrag, vor allem, weil der Vermieter eine unbeschränkte Bürgschaft forderte. “ Diese ist grundsätzlich laut BGB auf 3 Monatskaltmieten beschränkt. In diesem Fall war die Grenze der Haftsumme der Bürgschaft allerdings nach oben offen und Lukas Vater müsste für einen beliebigen Betrag einstehen, selbst wenn Lukas das nicht selbst verbockt hat, sondern nur Leidtragender war.

Vor einem halben Jahr wollte der Vermieter dann in die Wohnung, um für andere Reparaturarbeiten an der Außenfassade des Gebäudes etwas auszumessen und das Drama ging los.

„Als er den abgenutzten Zustand der Wohnung gesehen hat und den mit dem Zustand vor zehn Jahren verglichen hat, wollte er uns zu Schönheitsreparaturen und einer fachmännischen Renovierung zwingen.“ Die standen im Vertrag und aufgrund der gemeinsamen Haftungsklausel hätte Lukas auch für Schäden einstehen müssen, welche die Vormieter:innen verursacht hatten.

Mitten in dieser ohnehin schwierigen Situation kam es zu einer Mahnung, weil einer der Mitbewohner der WG eine zu laute Party feierte. Die Fronten zwischen Mieter und Vermieter waren plötzlich verhärtet. „Der Vermieter hatte jetzt einen wasserfesten Grund, um uns jederzeit auf die Straße zu setzen.“ Die fristlose Kündigung durch den Vermieter stand ab diesem Moment im Raum und die drei beschlossen, dass sie ausziehen wollen, bevor die Situation weiter eskaliert. Fristgerecht reichte die WG die Kündigung ein, um Ende August aus der Wohnung auszuziehen. Damit war die Geschichte aber leider noch nicht vorbei…

Die Verwaltung

Zur Miete wohnen, ist leider immer mit einer ganzen Reihe von Verträgen und Kosten verbunden. Redet am besten mit euren zukünftigen Mitbewohner:innen und lasst euch sämtliche Kostenpunkte aufschlüsseln. Dies erspart euch unangenehme Überraschungen, wenn die Verwaltung oder der Energielieferant euch eine Jahresrechnung schickt. Oft ist es unangenehm, wenn man direkt am Anfang über Geld reden muss, bevor man sich überhaupt kennengelernt hat. Doch seid euch sicher, man kann diese Themen in einer WG nicht verhindern und oft kommt es deswegen zu Stress, der sich so ganz einfach vorbeugen lässt.

Wenn ihr die Dokumente und Rechnungen durchgeht, prüft nach, ob es sich bei den genannten Zahlen um Schätzungen oder tatsächlich festgestellte Werte handelt. Energielieferant:innen neigen dazu, es sich einfach zu machen und euch eine Rechnung zu schicken, welche auf Statistiken von Durchschnittverbraucher:innen beruht. Als energiesparende Studierende liegt ihr meist unterhalb dieser Statistik. Es ist euer Recht, euch die Zahlen anzusehen, ihr könnt sie an den entsprechenden Zählern innerhalb der Wohnung ablesen bzw. euren Vermieter:in auffordern, sie euch zu zeigen.

Bezüglich der Rundfunkgebühren ist wichtig zu wissen, ob ihr BAföG beziehen werdet. Wenn ihr BAföG bezieht, dann müsst ihr der ARD einen Bescheid schicken (per Antrag), welcher beweist, dass ihr BAföG bezieht. Das lohnt sich für euch, da euch das BAföG  von der Gebühr befreit. Zusatzinfo: Rundfunkgebühren müssen immer pro Wohnung gezahlt werden, teilt sie euch also mit euren Mitbewohner:innen (zumindest mit denen, die kein BAföG beziehen).

Unabhängig davon, ob ihr neu eingezogen seid, eine:n Mitbewohner:in dazu bekommt oder bereits jahrelang in einer WG zusammenlebt. Es lohnt sich immer schriftlich festzuhalten, wer für welche Kosten (Miete, Strom, Internet etc.) zuständig ist und für die Einhaltung des jeweiligen Vertrages die Verantwortung trägt. Diese Dinge schriftlich festzuhalten, mag sich, besonders unter Freunden, befremdlich anfühlen. Doch was wirklich passiert, ist das Klarheit geschaffen wird. Die besten Verträge sind jene, die man später nicht mehr in die Hand nehmen muss. Davon kann eine Wohngemeinschaft und vor allem eine Freundschaft nur profitieren.

Wie ging es bei Lukas weiter?

Immer wieder gingen die Diskussionen hin und her. Mal sollten die drei die Wohnung selbst streichen und renovieren (natürlich auf Expert:innen-Niveau) und mal sollten sie eben diese Fachkraft bezahlen. Bei einer großen Wohnung kostet ein Maler:innenauftrag gerne mal einen niedrigen fünfstelligen Betrag. Da es sich bei der Wohnung um einen so genannten Kettenvertrag handelt, mussten die Studierenden auch für sämtliche Mängel geradestehen, die entstanden sind, bevor sie überhaupt in der Wohnung gewohnt hatten. Der Vermieter war zu keinem Zeitpunkt ernsthaft kooperativ und meinte irgendwann, während eines der vielen Gespräche, zu Lukas: „Ihr habt reiche Eltern, die können das zahlen.“ Den Höhepunkt des Konflikts bildete die fristlose Kündigung des Vermieters gegenüber der WG. Diese wurde als Druckmittel genutzt, um die drei Studenten zu zwingen, die Forderung des Vermieters zu erfüllen.

Doch sie hatten Glück im Unglück: Als der Vermieter – nach mehreren Aufforderungen – das Übergabeprotokoll rausrückte, stellte sich nämlich heraus, dass zum Zeitpunkt der Übergabe die Küche nicht gemalert war und der Vermieter somit keine vollständig renovierte Wohnung übergeben hatte – damit konnte er keinen Anspruch auf Schönheitsreparaturen geltend machen.

Nach Monaten der nervlichen Belastung, zahllosen Telefongesprächen mit dem Mieterbund, den Eltern und Anwälten ging alles ganz schnell. Lukas hätte wohl vieles unterschrieben: „Ich war so am Ende mit den Nerven. Die Kündigung hätte vor Gericht wahrscheinlich Bestand gehabt und damit wäre ich während der Prüfungsphase plötzlich obdachlos gewesen.“ Der Vermieter durfte also die Kaution behalten und die drei haben die Wohnung verlassen.

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