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Matondo Castlo – Mit Herz und Rap ins KiKA-Baumhaus

Matondo Castlo ist Rapper, Streetworker, Hip-Hop Dozent, ausgebildeter Erzieher und seit Ende August letzten Jahres einer der Moderatoren der KiKA Sendung “Baumhaus”. Jeden Abend bestaunen die Bewohner*innen des KiKA-Baumhauses mit dem Fernglas die Kunstwerke von Kindern in den Sternen. Rapper und KiKA – passt das überhaupt zusammen? Wer Matondo kennengelernt hat, dem*der fällt die Antwort leicht: Ja! Und dass das nicht peinlich, sondern ziemlich cool ist, können wir bestätigen. Denn (rein zu Recherchezwecken versteht sich) haben wir den Herbst-Rap, den Freundschafts-Song und das Wichtel-Lied hoch und runter gehört. Achtung: Ohrwurmpotential! Wir haben mit dem gebürtigen Berliner über seinen Start im Baumhaus, seine Jugend, sein ehrenamtliches Engagement für Kinder und Jugendliche und die Bedeutung von Rap und Diversität im Fernsehen gesprochen.

Ein kompletter KiKA Neuling

Hey, ich bringe gerne Leute zum Lachen
und liebe es, anderen eine Freude zu machen.
Spiele Fußball ohne Pause, ja ich sitze niemals still.
Bin immer dabei, wenn jemand rappen oder tanzen will.“

So stellt sich Matondo im Freundschafts-Rap mit Singa, Juri und Fidi der Fledermauspuppe den Kids vor. Wer allerdings denkt, es sei Matondos größter Traum seit Kindheitstagen gewesen, beim KiKA zu moderieren, liegt falsch. Der Sender ist als Kind eher an ihm vorbeigegangen und so hat er noch nie eine ganze Sendung gesehen, bevor er ins Baumhaus gekommen ist. Nun kann man sich fragen, wie kommt jemand, der den KiKA gar nicht wirklich kannte, dazu, sich als Baumhaus-Moderator zu bewerben? Die Antwort darauf: Hat er nicht. Matondo wurde eher zufällig auf einem Kinderliteraturfestival entdeckt. Im Anschluss daran flatterte per Mail eine Anfrage in sein Postfach, ob er beim Casting für das Baumhaus vorbeischauen möchte. Ein wenig Respekt hatte er schon vor der ganzen Sache, denn immerhin ging es hier ums Fernsehen und KiKA ist einer der größten Kinder- und Jugendsender im deutschsprachigen Raum. Trotzdem hat er es letztlich versucht und den Sprung ins kalte Wasser gewagt.

Im Casting bei KiKA in Erfurt musste sich Matondo ganz im Baumhaus-Style einem Interview mit Fidi stellen: „Als ich gesagt habe, dass ich gerne rappe, hat sie natürlich gefragt: ,Ach echt, kannst du mir auch was zeigen?’ Dann stand ich da und musste irgendwie was raushauen. Also hab ich gefreestylt!“ Das hat die Baumhaus-Redaktion anscheinend ziemlich beeindruckt (wie oft bewirbt sich ein*e Moderator*in schon mit einem Rap-Freestyle?) und plötzlich hieß es: “Wir würden gerne mit dir zusammenarbeiten”. Mittlerweile ist Matondo schon einige Monate fester Bestandteil des Baumhaus-Teams und hat sich in die Herzen vieler Kinder, Eltern und jetzt auch ins Herz des UNGLEICH-Teams gerappt und moderiert.

Neben Milchreis und Backkartoffeln jetzt auch Fufu na Fumbwa im Baumhaus

Matondo ist jung, Schwarz, rappt und ist in Berlin Tempelhof aufgewachsen. Ziemlich offensichtlich, dass er damit (leider) nicht dem Bild des 0815-Fernsehmoderators im deutschen Kinderfernsehen entspricht. Auch das Baumhaus-Team war bisher wenig divers aufgestellt. Matondo bringt mit seiner Person und seinen Hintergründen neue Perspektiven mit in die Sendung – und damit in den Alltag von tausenden Vorschulkids, für die er mit dem Baumhaus zum festen Abendritual gehört. Jeden Tag vor dem gemeinsamen Bilderschauen erklärt er ihnen kleine Dinge aus ihrem Alltag, von Basteltipps zu Vogelkunde.
Dadurch, dass die Kinder schon in jungen Jahren damit aufwachsen, Menschen unterschiedlicher Hauttöne in ihrem Alltag zu sehen, lernen sie, dass es ganz normal sei und es dabei keine Unterschiede auch außerhalb des Baumhauses gebe, erzählt uns Matondo: „Es ist schon längst an der Zeit, dass wir unser Land so repräsentieren, wie es auch in der Gesellschaft aussieht. Wir sind schon längst nicht mehr alle weiß. Alle Hauttöne und Kulturen bewegen sich hier. Ich finde es stark, wenn wir – nicht nur im Fernsehen – diese Diversität auch zeigen und zelebrieren.“

Leider sehen das nicht alle so. Aber auch wenn von Eltern mal negative und rassistische Kommentare zu seinem Aussehen oder seinem Hintergrund kommen, ist Matondo erstaunlich entspannt und gibt die Hoffnung auf eine tolerantere Gesellschaft nicht auf: „Kein Kind der Welt wird mit Hass geboren und darum hoffe ich, dass ich trotzdem den Weg in das Herz dieses Kindes finde.“ Matondo bringt nicht nur durch sein Erscheinungsbild neue Perspektiven ins Baumhaus. Die KiKA-Redaktion gibt ihm auch die Möglichkeit persönliche Themen, wie seine Erfahrungen als Berliner mit kongolesischen Eltern, mit einzubringen.
So erzählt Matondo in der Folge “Lieblingsessen” von seinem kongolesischen Lieblingsgericht Fufu na Fumbwa – ein fester Brei aus Mehl und Wasser mit einer Erdnuss-Spinatsoße. Die Baumhausfolge macht nicht nur ziemlich Hunger (wo gibt es in Erfurt Fufu na Fumbwa?), sondern deckt auch neue, vielleicht vorher eher unbeleuchtete, Lebensrealitäten vieler Kinder in Deutschland ab. „Jetzt stell ich mir vor, da sind Kinder mit meinem äußeren Erscheinungsbild und denken sich: Wir essen ja auch Fufu. Allein diese Vorstellung ist schon echt eine schöne Sache“, sagt Matondo.

Matondo und der Stern, der jeden Abend ein selbst gemaltes Bild ins Baumhaus einfliegt
Bild: KiKA/Carlo Bansini
Ein Musiker, der für den Rap und die Gerechtigkeit lebt

Was Matondo neben seinem persönlichen Hintergrund von anderen Moderator*innen abhebt, ist der Rap. Matondo ohne Rap ist wie Weihnachten ohne Schnee. Oder Erfurt ohne KiKA-Figuren – geht schon, aber mit ist einfach besser. Musik hat in Matondos Leben schon immer eine große Rolle gespielt. Angefangen hat er im Kirchenchor, als der Stimmbruch kam, ist er zum Schlagzeug gewechselt und kam im Jugendalter zum Rap. Bushido war dabei lange ein Vorbild für die Jugendlichen aus Tempelhof: „Nicht alles war cool, aber vor allem das, was er so aus unserer Lebensrealität erzählt, das hat man schon gefühlt.“
Durch seine Brüder kam er mit afro-amerikanischem Rapper*innen in Kontakt, die über gesellschaftliche Probleme und für ihre Rechte rappten. Motiviert durch die Unsichtbarkeit von Schwarzen Rapper*innen in Deutschland begann Matondo mit gerade mal 16 Jahren selbst zu rappen. Schon damals war es sein Ziel, insbesondere andere afro-deutsche Jugendliche zu erreichen und gegen den Strom zu schwimmen: “Gangster Rap, Ghetto Rap, Hardcore Rap – das wollte ich nicht machen, ich hab mich nicht gut gefühlt damit. Ich wollte bilden, empowern, Augen öffnen.”  

Und so schrieb er Texte, aus denen Songs wie „Kopftuch“, “Oury Jalloh”  oder „Spuren der Kolonialzeit“ entstanden. Er beschreibt seine Musik als politisch und sozialkritisch, rappt bis heute über Anne Frank, Rosa Parks, George Floyd, und Amadeu António. Dass er sich schon in so jungen Jahren mit so gesellschaftskritischen und politischen Themen beschäftigte, wundert ihn heutzutage zum Teil selbst. Vielleicht ist es auf seine Eltern zurückzuführen, die einen scharfen Gerechtigkeitssinn haben und sich viel damit beschäftigen, was in ihrer Heimat, der Demokratischen Republik Kongo, passierte. Matondo begann durch diese Diskussionen früh, sich selbst und seinen Eltern Fragen zu stellen – über die globale Situation, aber auch über die Geschehnisse direkt in Deutschland: „Warum ist das so? Wie kann das sein? All diese Sachen haben mich mitgenommen. Ich wollte all diesen Gedanken einfach Raum geben, ich wollte, dass Menschen davon mitbekommen. Gerade von Sachen, die leider nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie eigentlich bekommen sollten.“

Matondos Leidenschaft: Der Rap
“Alles für die Jugend” –  Ein Lebensmotto

Neben Matondos Soloprojekten als Rapper und KiKA-Moderator betreibt der ausgebildete Erzieher Jugendarbeit in seinem gemeinnützigen Unternehmen “Alles für die Jugend”. Dort lädt er Kinder und Jugendliche zu sich ins Studio ein und gibt ihnen eine kostenfreie Möglichkeit, Musik zu machen. Der Rap gebe den Jugendlichen eine Möglichkeit der Selbsttherapie, erklärt uns Matondo. Sie können ihre Gedanken verschriftlichen, Gefühle ausdrücken, ihren Frust rauslassen und sich selbst besser kennenlernen und neu definieren. Außerdem erhalten sie Anerkennung – etwas, das ihnen in der Familie oder Schule leider oft fehlt.

Unterstützung, Bildung und Empowerment für Jugendliche – Werte, die sich durch Matondos Leben ziehen und in Erfahrungen seiner eigenen Jugend begründet sind. Als Jugendlicher verließ er Berlin, um für zwei Jahre ein Fußballinternat in Thüringen zu besuchen. Eine Erfahrung, die Matondo selbst als Kulturschock bezeichnet. Plötzlich gab es eine feste Struktur in seinem Leben, ein anderes Umfeld, ein klarer Fokus auf ein Ziel.
Aber genauso prägend wie die Zeit auf dem Internat, war seine Rückkehr nach Berlin, wo ihn erneut der Schock traf: Er hatte Freunde verloren durch Psychosen, Leute wurden abgeschoben, andere waren im Gefängnis – ein weit entfernter Ort, den er bis dahin nur aus den Geschichten der Älteren kannte, nicht aber aus seinem eigenen Freundeskreis. Dass sich sein Umfeld so radikal verändert hatte, regte ihn zum Nachdenken an: „Ich dachte mir, was ist passiert in dieser Zeit? Das gab mir die Motivation, etwas zu machen, dass die nächste Generation nicht auch so endet, sie irgendwie davon wegbekommen.“

Also fing Matondo an, mit den Kids aus seiner Hood abzuhängen – auf dem Spielplatz, bei der Tischtennisplatte. Sie haben gechillt, Fußball gespielt, Musik gehört und Texte geschrieben. Währenddessen hat er seine Ausbildungen zum Sozialassistenten und zum Erzieher gemacht. Als er diese abgeschlossen hat, motivierte ihn seine deutsche Tante Kiki, sich mit seinen schon laufenden sozialen Projekten und seinen bisher eher kleinen Workshops selbstständig zu machen. So gründete er 2019 “Alles für die Jugend” und gibt mittlerweile deutschlandweit Rap-Workshops an Grundschulen, Oberschulen, Unis, Theatern oder Gefängnissen. Matondo weiß also aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, dass jemand den Jugendlichen sagt, was möglich ist: „Es muss den Kids gesagt werden: Du kannst aus dem, was du gerne machst – aus deiner Leidenschaft – deinen Beruf machen.“ Kids zeigen, was alles möglich ist – das macht Matondo nicht nur in seinen Workshops, sondern nun auch regelmäßig, wenn er um 18:47 Uhr im Baumhaus die Kinder begrüßt.

Die Kids feiern ihn – wir auch!
Matondo – Ein Gewinn fürs Baumhaus und den KiKA

Matondo vermittelt bei allem was er macht unglaublich viel Begeisterung, Leidenschaft und Wärme – kein Wunder also, dass er bei jungen und alten Zuschauer*innen gut ankommt. „Das ist so schön zu sehen, wie du anderen so jungen Menschen eine Freude schenken kannst. Die lernen mit dir, nehmen etwas mit. Das ist das, worauf ich am meisten stolz bin.“

Von Straßenrap, über Rap-Sessions mit den Kids aus dem eigenen Kiez bis ins Baumhaus  – das erscheint erstmal wie ein weiter Weg. Dass sich das bei Matondo aber irgendwie ziemlich leicht anhört, liegt wohl daran, dass er ein sehr zielstrebiger und geduldiger Mensch ist. Man spürt, mit wieviel Leidenschaft er bei all seinen Projekten dabei ist. Wenn er von den Workshops mit den Jugendlichen erzählt, glänzen seine Augen und er hört gar nicht mehr auf zu reden. Auf die Frage, ob er sich vorstellen kann, in Zukunft beim Fernsehen zu bleiben, druckst er allerdings. Es beschäftigt ihn sehr, wie es in Zukunft mit den Workshops weiter geht. Je mehr Fernsehen er macht, desto weniger Zeit bleibt für die Workshops. Der KiKA wäre sicherlich bereit für weitere Projekte mit Matondo und auch wir würden ihn gerne noch in weiteren Formaten im Fernsehen sehen.

Bei einem sind wir uns jedenfalls sicher: Egal in welcher Form, Matondo wird weiterhin unsere Gesellschaft bereichern, Menschen empowern und sich für eine offene, vielseitige und gerechtere Gesellschaft einsetzten. Sein großes Herz, sein unermüdlicher Einsatz und seine nicht-endende Hoffnung sind ansteckend und machen Mut. Deshalb geben wir euch mit, was er uns am Ende unseres Gesprächs mitgegeben hat: “Wir können so viele Menschen erreichen und so viele Meinungen ändern.“

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