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Schambrowski – eine Wundertüte im Erfurter Norden

Im Erfurter Norden bin ich (leider) viel zu selten unterwegs. Obwohl ich schon eine ganze Weil in Erfurt wohne, kenne ich mich hier kaum aus. Und so ist es auch kein Wunder, dass ich von den meisten Events und Hotspots immer erst etwas mitbekomme, wenn schon wieder alles vorbei ist. Aber diesmal nicht! Von Schambrowski erfahre ich von einem Freund, der mich im Januar das erste Mal in den Laden mitnimmt – und ich bin schockverliebt. In einen Ort, der Menschen zusammenführt, und in die Möglichkeiten, die er bietet.

Kino aus Leidenschaft

Donnerstagabend verwandelt sich das Schambrowki vom Laden und Büro in einen Kinosaal. (Foto: Kevin Schulzbus)

Zuerst lerne ich das Schambrowski als Veranstaltungsort kennen. Jeden Donnerstag kann man bei „Lassen wir es flimmern“ Filme aus dem subkulturellen Spektrum in Kinoatmosphäre schauen, die es in den großen Kinos oft leider nicht auf die Leinwand schaffen. Inhaltlich dreht sich hier meist alles rund um das Thema Graffiti, aber auch politische und gesellschaftskritische Werke werden gezeigt. Und obwohl die Filme oft sehr unterschiedlich sind, haben sie eines gemeinsam: nach der Vorstellung denke ich immer noch eine ganze Weile über sie nach. Nicht selten komme ich im Anschluss an die Vorstellung mit anderen Kinobesucher:innen ins Gespräch oder stürze mich zu Hause in eine ausführliche Internetrecherche, um das Gesehene besser einordnen zu können.

Und genau das ist auch das Ziel der Betreiber:innen: Im Schambrowski soll hochwertiges Kino statt leichter Kost und Schnulli auf dem Programm stehen, erzählt mir Tom, Veranstalter des Kino-Donnerstags. Um das Publikum nicht zu unterfordern, werden die Werke kuratiert und die Auswahl vorher gemeinsam im Team besprochen.

Im Dezember 2021 lässt sich kaum erahnen, was aus dem Raum alles werden wird. (Foto: Kevin Schulzbus)

Wie alles begann…

Schambroswki gibt es seit Dezember 2021 in der Magdeburger Allee 90, doch angefangen hat alles schon viel früher. Tom, einer der Gründer, erzählt mir, wie in Jena alles mit einer Veranstaltungsreihe begann. Mehrmals im Jahr organisierte er die wilde Hip-Hop Party Rotzfrech, doch irgendwann reichte ihm das nicht mehr aus. „Party und Suff sind cool, aber ich wollte inhaltlich mehr.“ So organisierte Tom immer mittwochs vor der Party Rotzfrech Cinema und zeigte Graffiti-Filme zusammen dem Uni-Film-Club im Café Wagner in Jena. „Irgendwann hatten wir dann keinen Bock mehr auf die Party, aber das Kino ist geblieben.“ Zum Glück für uns!

Aus Rotzfrech Cinema wurde ein Filmverleih, über den kleine Independent-Produktionen liebevoll vermarktet werden. Rotzfrech Cinema kümmert sich vom Trailer über geschriebene Texte bis zur Kinotour um alles, damit die Filme tatsächlich gesehen werden können. Mit dem Einzug in die Magdeburger Allee bekommt der Verleih dann auch endlich ein festes Zuhause in der Thüringer Landeshauptstadt: das Schambrowski.

Kino-Donnerstag auf der Magdeburger Allee

Dass man dort jetzt immer donnerstags ins Kino gehen kann, hat sich aber eher zufällig entwickelt. Tom erzählt, dass er eigentlich nur einen Ort wollte, an dem er im kleinen Rahmen die Filme seines Verleihs schauen konnte und hat dafür per Crowdfunding-Kampagne einen Beamer für den Laden finanziert. Nach den ersten Vorstellungen wurden die Anwohnenden neugierig. „Wann kann man denn bei euch Filme schauen?“ hörte das Team des Öfteren und daraus entstand dann die Idee für ein regelmäßiges Kino. „Wenn man donnerstags irgendwas sehen will, kann man einfach ins Schambrowski kommen und Kino gucken.“, erzählt mir Tom. Und so ist der Donnerstag im Schambrowski – zumindest in meinem Freundeskreis – jetzt schon zu einem festen Bestandteil der Woche geworden.

Foto: Kevin Schulzbus

Das Schambrowski ist seitdem ein Selbstläufer: Alle sind willkommen und können sich vor Ort auch selbst einbringen. Ein Fünfer fürs Kino und Getränke auf Spendenbasis ermöglichen Teilhabe, denn die große Kommerzialisierung wird hier abgelehnt. Immer wieder kommen Filmschaffende und stellen ihre Werke vor, denn der Laden bietet für sie eine niedrigschwellige Möglichkeit, ihre Filme zu zeigen.

Ein Raum für vielseitiges Zusammenkommen

Tom berichtet, dass der Donnerstag mittlerweile schon gesprengt ist. Der Raum ist voll und auch immer mehr Veranstaltungen außerhalb der Reihe sind gut besucht. Seit April gibt es jetzt auch die „Filme für die reifere Jugend“, bei der anwohnende Senior:innen einmal im Monat einen Kino-Nachmittag in Eigenregie ausrichten. Das Schambrowski wird immer mehr zu einem Raum der Begegnung, der zu einer besseren Vernetzung in der Nachbarschaft beiträgt.

Schambrowski ist ein Raum der Vielseitigkeit. Foto: Kevin Schulzbus

Kino, Graffiti, Bibliothek, Bar – Schambrowski kann einfach alles

Doch nicht nur für Kino-Interessierte öffnet das Schambrowksi seine Türen. Tagsüber wird vor Ort für Rotzfrech Cinema gearbeitet und Tom hat ganz nebenbei auch noch die Fachbibliothek für Graffiti-Kultur aus dem Boden gestampft. Hier sammelt er gespendete Bücher, die aus ganz Deutschland ihren Weg nach Erfurt finden, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Jede:r kann vorbeikommen – zum Lesen, Quatschen, Sprühdosen kaufen oder einfach auf ´ne Limo. Schambrowski ist eine richtige Wundertüte im Erfurter Norden.

Noch bis Ende Mai kann man am Donnerstagabend hochkarätige Filme in der Magdeburger Allee schauen, danach beginnt erst mal die Sommerpause. Wer neugierig geworden ist, sollte sich also mit einem Besuch beeilen und spätestens zur Saison-Abschlussfeier am 25. Mai endlich das Schambrowski abchecken!

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