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Sichtbarkeit der Kulturszene in Erfurt – Can you see it? 

„Alle Jahre wieder“ strömen viele Menschen von außerhalb in die thüringische Landeshauptstadt, um hier kulturelle Großveranstaltungen zu erleben. Das Krämerbrückenfest im Sommer und den Weihnachtsmarkt im Winter, um eine kleine Auswahl zu nennen. 

Doch wie gestaltet sich Kultur in Erfurt mit Blick auf eine jüngere Zielgruppe?

Dieses Thema zu umreißen ist gar nicht so einfach. Einerseits lebe ich selbst erst seit knapp drei Jahren in Erfurt und möchte mir nicht anmaßen, etwas über eine Stadt zu urteilen, in der 220.000 Menschen leben und andererseits stecke ich als Teil des UNGLEICH Magazins mitten drin in der Kulturarbeit. Deswegen habe ich mir Hilfe von zwei Expertinnen geholt, die die Stadt und vor allem die Szene hier in und auswendig kennen. 


Ich darf vorstellen: Lisa Hilpert. Sie arbeitet im Thüringer Landtag, ist Teil des Vorstands der Ständigen Kulturvertretung (SKV) und engagiert sich in dem DJ- und Veranstaltungsteam Gruppe Versus. Die SKV definiert sich einerseits als Plattform zum Networking und andererseits organsiert sie ständig (neue) Projekte – wie eben erst die Themenwoche Gold statt braun. Als ebenso vermittelndes Bindeglied arbeitet meine zweite Gesprächspartnerin – Theresa Kroemer – als Kulturlotsin in der Stadtverwaltung Erfurt. Die Stelle – die das Ergebnis einer Forderung der freien Kulturszene ist – verbindet Stadtpolitik, Stadtverwaltung und Kulturszene. Ganz schön viel!

Beiden habe ich zu Beginn des Gesprächs folgenden Satz mitgebracht:

Ohne Kultur wird es still in den Städten und ohne sie [die Kultur] sind Städte nicht lebenswert.


Immer wieder bekommen wir Menschen aufgezeigt, was Kultur für uns bedeutet und wie sehr diese fehlt, wenn es keinen Raum dafür gibt. Der Raum ist hier ein wichtiges Stichwort. Lisa macht mir in unserem Gespräch eines deutlich: Ohne Freiräume, die die Szene nutzen kann, hat diese keine Zukunft. Sie sagt: „Ich erwarte, dass man [die Stadt] nach außen signalisiert, dass man offen dafür ist, Freiräume zu schaffen, damit sich junge Generationen weiterentwickeln und ausleben können. Und das ist natürlich etwas, wo es immer mal wieder hapert“. Es braucht also Platz für Ideen, damit sich etwas (neues) entwickeln kann. 

Theresa Kroemer steht zwischendrin. Einerseits arbeitet sie in der Stadtverwaltung und andererseits kommt sie selbst aus der Kulturszene und kennt die Problematik der bezahlbaren Raumsuche. Sie sagt dazu: „Wir sind noch nicht an dem Punkt, dass es keine Räume mehr gibt“. Dafür begleitet sie Menschen bei der Suche und plädiert für das Wächterhaus-Prinzip, das anders als andere Städte, Kreativschaffenden langfristig städtische Arbeitsräume kostengünstig zur Verfügung stellt. Davon profitieren im Moment 22 Menschen in zwei Gebäuden. 

Wächterhaus in der
Bürgermeister-Wagner-Straße 3
Wächterhaus in der Nordhäuserstraße 84

Darüber hinaus gibt es eine Kulturraum-Liste für Erfurt. Das ist eine öffentlich-zugängliche Auflistung von Räumen in der Stadt, die für kulturelle Zwecke genutzt werden können. Hier wird eine Brücke zwischen Raumsuchenden und Raumgebenden geschlagen. 

Doch löst das allein die Raumproblematik, die in der Verantwortung der Stadtpolitik steht? 

Als UNGLEICH Magazin wissen wir: Erfurt ist ungleich zu anderen Städten, so auch die Kulturszene. Diese beschreibt Theresa als abwechslungsreich und lebendig. Dem stimmt auch Lisa zu, allerdings findet sie, dass es in der Vielseitigkeit keine Diversität gibt. 
Das spüre ich auch – zumindest auf den ersten Blick. Mein persönliches Empfinden ist, dass die Kultur (besonders für ein junges Publikum) weniger sichtbar ist. Schnell macht sich das Gefühl breit, alles gesehen zu haben. Was nicht heißt, dass es wenig gibt – im Gegenteil. Umso wichtiger ist es, bestehende Angebote wie für Erfurter Student:innen das Kultursemesterticket oder den ersten Dienstag im Monat zum kostenfreien Eintritt in Dauer- und Sonderausstellungen zu nutzen. Darüber hinaus sagt Lisa Hilpert: „Es braucht aber nicht nur das Publikum, sondern auch die, die Kultur schaffen“. Dem fügt Theresa Kroemer hinzu, dass man Kompetenzen, die man in der Kulturarbeit erlernt, in verschiedensten Lebens- und Arbeitsbereichen nutzen und davon profitieren kann.
Schreibt also gerne bei Interesse denen, deren Arbeit euch gefällt, um selbst Hand anzulegen.

Der neue erfurtkultur-Laden im Rathaus

Folgendes fasse ich also für mich aus den beiden Gesprächen zusammen. Ja, Erfurt ist nicht Leipzig und auch nicht Berlin. Aber darum geht es nicht. Es ist eine Stadt, deren Kulturszene viel Potential hat, welches sichtbar gemacht und angenommen werden muss. 

Nun klingt das Folgende so, als ob mein Artikel bereits gelesen und die Wünsche gehört wurden. So gibt es nämlich seit Anfang Mai – durch die Kulturdirektion umgesetzt – einen Laden von erfurtkultur (gleichnamig wie der Instagram-Account) im Rathaus hinter unserem Freund Bernd das Brot. Der Ort dient als Treffpunkt für Kulturschaffende und -interessierte. Ein Blick hinein lohnt sich (es gibt sogar eine pinke Disco-Toilette)!

erfurtkulur-Laden im Rathaus

Zum Schluss geht ein großer Dank stellvertretend an Lisa Hilpert und Theresa Kroemer, die wie viele andere Menschen die Kultur in Erfurt schon jetzt sehenswert machen und daran arbeiten, dass dies so bleibt. Für Lisa Hilpert geht Kultur über einzelne Räume hinaus und verbindet die Stadt als einen Kulturort. Für Theresa Kroemer ist Kultur ein Ort des Wohlfühlens und eine Art, sich politisch auszudrücken. Um weiterhin Kraft aus der Kultur schöpfen zu können, steht sowohl eine Stadtverwaltung als auch ein aktives Mitgestalten der Bürger:innen in der Verantwortung.   

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