Search

Endlich wieder Open-Air-Kino – Der Junge muss an die frische Luft

Freunde, das Leiden hat ein Ende. Endlich kann man wieder ohne schlechtes Gewissen und abschätzige Blicke (gefolgt von der Frage „Bei dem Wetter?“) ins Kino gehen. Es ist Zeit für Open-Air-Kino!

Einen Monat lang präsentiert der Kinoklub am Hirschlachufer jeden Freitag und Samstag im Kulturhof Krönbacken eine Reihe hochklassiger und preisgekrönter Filme unter freiem Himmel. Wer es zum Beispiel nicht zu BlackKklansman, Call me by your Name oder A Star is Born ins Unikino geschafft hat, dem bietet sich hier und jetzt noch einmal die Gelegenheit, das nachzuholen.

Diesen Samstag kann man sich aber zunächst den besucherstärksten Film des Jahres 2018 ansehen, der die Kindheit des vielleicht beliebtesten deutschen Komikers erzählt: Der Junge muss an die frische Luft.

Worum es geht

Hans Peter alias Hape Kerkeling wächst im Ruhrgebiet der 70er Jahre auf. Als er acht Jahre alt ist, zieht die Familie vom ländlichen Teil Recklinghausens zu den Großeltern mütterlicherseits in die Stadt. „Wenn de weißt, watt de willst Hans Peter, dann mach et einfach. Und kümmer dich nicht, was die Leute sagen“, rät Oma Änne ihrem Enkel auf einer spontanen Pferdekutschfahrt durch das kleinbürgerliche Recklinghausen, während sie den Schaulustigen königlich zuwinkt. Hans Peter lässt sich das nicht zweimal sagen. Auf einer Karnevalsparty geht er als Prinzessin, was ihm stichelnde Kommentare der Verwandtschaft einbringt. Im Tante-Emma-Laden seiner Oma Änne beobachtet er die Kunden und lauscht ihren Klatschgeschichten, um sie danach meisterhaft zu parodieren. Als Hans Peter ein Pferd geschenkt bekommt und es aufgrund seiner pummeligen Figur mehrmals nicht schafft, aufzusteigen, macht er kurzerhand eine Comedy-Show daraus und bringt alle Umstehenden zum Lachen. „Und dann muss man sich eben entscheiden: Ob man unfreiwillig komisch sein will, oder ob man seine peinliche Erscheinung gezielt einsetzt“, resümiert er selbst.

Hape und Hape

Doch während Hans Peter sein komödiantisches Talent entdeckt, wirkt seine Mutter Magret zunehmend niedergeschlagen. Der Vater Heinz ist beruflich viel unterwegs, sie fühlt sich mit dem Haushalt und der Erziehung von Hans Peter und seinem großen Bruder Matthes allein gelassen und überfordert. Auch der Umzug trägt zu ihrer Verstimmung bei. Die Wohnung ist kleiner, die Stadt ist grauer. Als die Mutter schließlich durch eine verunglückte Kieferhöhlenoperation auch noch ihren Geschmacks- und Geruchssinn verliert, verfällt sie in eine Depression. Hans Peter gibt nicht auf und versucht, seine Mutter durch seinen Sinn für Situationskomik zum Lachen zu bringen. Obwohl ihm das zeitweise gelingt, heilt Humor letztlich keine Depression und so folgt dem unbeschwerten Anfang des Films ein schwerwiegendes Ende. „Manchmal denke ich, ich hätte mich mehr anstrengen müssen“, erklingt die Stimme von Hans Peter aus dem Off.

Deutscher Film, aber oho!

In 100 Minuten erzählt die Regisseurin Caroline Link eine tragisch-komödiantische Geschichte, bei der man durchweg mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die Kinoleinwand blickt. Der Film besteht zu einem großen Teil aus kräftigen Farben und warmen Bildern. So feiert die Verwandtschaft ausschweifende Partys mit Mettigeln, Eierlikör und Polonaise, getreu dem Stil der 70er Jahre. Die fröhlichen Momente haben jedoch durchweg einen faden Beigeschmack durch die psychische Erkrankung der Mutter. Es gelingt dem Film, Traurigkeit und Heiterkeit ohne Kitsch und Übertreibung miteinander in Einklang zu bringen.

Sicherlich lässt sich kritisch anmerken, dass das Thema Depression nicht besonders tiefgründig behandelt wird. Die Gründe dafür liegen bei näherem Hinsehen jedoch auf der Hand: Die Geschichte wird aus Sicht eines achtjährigen Jungen erzählt. Er geht zwar mitfühlend und verständnisvoll mit der Verstimmung der Mutter um, kann aber die Krankheit nicht in ihrem vollen Ausmaß erfassen und reflektieren. Das Verhalten der Verwandtschaft spiegelt zudem den Umgang mit Depression in den 70er Jahren wieder. Sie nimmt zwar Rücksicht und versucht zu helfen, unterschwellig klingen aber gleichzeitig missbilligende und vorwurfsvolle Töne mit.  

Dem Hauptdarsteller Julius Weckauf wurde nach dem Film eine große Schauspielkarriere prophezeit, obgleich er zuvor noch keinerlei Kameraerfahrung hatte. Da er selbst gerne zuhause Prominente und Bekannte imitiert, gelingt es ihm scheinbar mühelos, die Rolle des Hape Kerkeling Junior authentisch zu verkörpern. So wirken die lustigen Situationen des Films tatsächlich witzig und nicht zu gewollt.

Für Kerkeling wie Nicht-Kerkeling-Fans definitiv ein lohnendes Kinoerlebnis!  

Beim restlichen Programm kann man auch nicht meckern

12.7. | Der Vorname | Kinoklub Open-Air
13.7. | Der Junge muss an die frische Luft | Kinoklub Open-Air
19.7. | Cold War | Kinoklub Open-Air
20.7. | 25 km/h | Kinoklub Open-Air
26.7. | Gundermann | Kinoklub Open-Air
27.7. | BlackKklansman | Kinoklub Open-Air
2.8. | Call me by your name | Kinoklub Open-Air
3.8. | A Star is Born | Kinoklub Open-Air
9.8. | Green Book | Kinoklub Open-Air
10.8. | Bohemian Rhapsody | Kinoklub Open-Air

Karten schnappt ihr euch einfach an der Abendkasse vor Ort jeweils eine Stunde vor Filmbeginn.

Write a response

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

*

Close
Ungleich Magazin © Copyright 2019. All rights reserved.
Close