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Bei TrueFruits lieber NoFruits

Die Marketing-Strategien des Smoothie-Unternehmens TrueFruits sind seit August dieses Jahres erneut erheblicher Kritik ausgesetzt. Insbesondere via Social-Media bündelt sich scharfer Gegenwind, denn die Firma wirbt gezielt mit rassistischen und sexistischen Sujets. Nun hat sich neben einer Reihe anderer Studierendenwerke auch das Studierendenwerk Thüringen dazu entschlossen, TrueFruits-Smoothies aus dem Sortiment zu streichen. Warum diese Entscheidung wichtig ist und warum wir die öffentliche Verbreitung diskriminierender Narrative unter dem Deckmantel des Witzes boykottieren müssen: ein Kommentar.

Auf den Werbeplakaten von TrueFruits sind unter anderem Aufschriften wie „Unser Quotenschwarzerpinker“, „Schafft es selten über die Grenze“ oder „Abgefüllt und Mitgenommen“, gerne aber auch ein nackter Frauenrücken geschmückt mit Penisbemalungen, abgebildet. Das Unternehmen setzt mit dieser Vermarktungsstrategie unter anderem auf Assoziationen zur Geflüchteten-Thematik oder spielt auf Opfer sexualisierter Gewalt an. Die als Witz verpackten Botschaften innerhalb dieser Werbung sorgen jedoch für die Bagatellisierung dieser Thematiken und ziehen sie ins Lächerliche.

Der Account ‚truediskriminierung‘ auf Instagram fasst die meisten Kritikpunkte -beispielsweise, dass die Wortspiele und Bilder herabwürdigende Botschaften verbreiten -sehr gut zusammen. Dies wird ebenso wenig dadurch geschmälert, dass sich einige der Verfasser*innen der Analysen als Influencer*innen taufen lassen, noch dass TrueFruits selbst alle Vorwürfe mit einem „kräftige[n] Fuck you“ zurückweist. Die ‚truediskriminierung‘-Kampagne schaffte es, eine regelrechte Mobilisierung gegen den Smoothie-Hersteller und den Kauf der Produkte anzustoßen. Es wurde bereits eine Petition ins Leben gerufen sowie zahlreiche Beschwerden beim deutschen und österreichischen Werberat eingereicht. Letzterer forderte inzwischen den sofortigen Sujetwechsel der Werbekampagne ‚Sun Creamie` – dabei handelt es sich um die bereits angesprochene Zeichnung eines ejakulierenden Gliedes auf nacktem Frauenrücken. Der Werberat stellte fest, dass dabei ein Verstoß gegen den Ethik-Kodex der Werbewirtschaft vorliegt.   

Kalkulierte Grenzüberschreitung

Allerdings scheinen nicht alle überzeugt. Zugegeben, die TrueFruits-Gegner*innen sind laut, die TrueFruits-Verfechter*innen aber auch (nebenbei: Zu diesen gehört auch der Leiter der Identitären Bewegung Leipzig Alex Malenki – welch Zufall). Es geht hier allerdings nicht darum, wer lauter brüllt, sondern, wie man dafür sorgen kann, dass die Grenzen des  Sag- und Denkbaren nicht derartig verschoben wird, dass exkludierende Sprache und diskriminierende Strukturen verstetigt werden. Deswegen hier nochmal leise, laut, geflüstert oder geschrien – zumindest aber unbeirrbar:

Marketing hat zunächst die Aufgabe, ein bestimmtes Produkt zum Zwecke hoher Verkaufsquoten zu bewerben. Marketingzwecke dienen also per se ursprünglich der knechtenden Devise der Profitmaximierung. Es geht um Geld. Natürlich kann man in seinen auf Gewinn ausgerichteten Werbeformaten Bezug auf gesellschaftliche Strukturen nehmen. Allerdings stehen die vermarkteten Produkte der Smoothie-Firma überaus selten in einem kausalen Zusammenhang zu den gewählten Motiven. Hat ein nackter Frauenrücken mit Penisbemalung auch nur irgendetwas mit Smoothies zu tun? Nein. Hat die Anspielung auf sexualisierte Gewalt irgendwas mit Smoothies zu tun? Nein. Und Geflüchtete? Migranten? Nein.

Diskriminierung als Gesellschaftskritik?

Warum werden also diese Narrative gewählt? Der Smoothie-Hersteller selbst behauptet in einer Stellungnahme, sie würden damit Gesellschaftskritik betreiben. Wie innerhalb eines solchen Werbe-Konzeptes an der Gesellschaft Kritik geübt wird, bleibt allerdings gänzlich schleierhaft. Dennoch hält sich dieses Argument. Einige wenige meiner Kommiliton*innen wiesen mich mehrfach darauf hin, dass das doch nur witzig gemeint sei, ein Tabubruch, der als Satire gelten soll.
Erstens ist es aber nicht die Aufgabe einer Marketingabteilung Satire zu betreiben (kann man machen, kann dann aber offensichtlich scheiße werden), und zweitens wie kann die wiederholende, absichtsvolle Provokation diskriminierender Assoziationen zur Kritik dessen führen? Der Einsatz von Diskriminierung gegen Diskriminierung funktioniert nicht, das ist absurd. Kurzum: Es prangert nichts an, es reproduziert. Es kritisiert nicht, es bagatellisiert.

Die Frage der Toleranz

Dass sich das Smoothie-Unternehmen selbst als gesellschaftskritisch darstellt, ist ein verharmlosendes Manöver. Es scheitert daran, dass die Marke nicht mit Offenheit auf die Kritik reagiert, sondern bockig bleibt.
Eine Entschuldigung als Reaktion auf den Protest blieb bei der Smoothie-Firma nämlich aus – ihr offensichtlich peinlichster Fehler. Zeigt dies doch wiederum nur, wie wenig progressiv die Intentionen der Marketingkampagnen tatsächlich sein konnten. Und so fordert das Unternehmen weiterhin Toleranz gegenüber seiner Werbestrategien, sorgt aber innerhalb dieser für eine Verstetigung intoleranter Strukturen. Oftmals mündete dies in Fragen zur Krux der Toleranz an sich, die so manchen ratlos machen: Wie viel Intoleranz kann die Toleranz dulden, und darf die Intoleranz Toleranz fordern?

In diesem Fall ist es ganz einfach, keiner muss ratlos bleiben. Zum Zwecke des Profits verbreitete, diskriminierende Narrative können wir als pluralistische und inkludierende Gesellschaft nicht dulden. Es braucht die Empörung gegen Sexismus, Rassismus und heteronormative Ideologien. Wir müssen gegen die exkludierende Macht von Stereotypen und die Reproduktion gesellschaftlicher Ungleichheiten ankämpfen. Unternehmen mit öffentlicher und medialer Reichweite tragen dabei eine soziale Verantwortung.

Thüringer Studierendenwerk reagiert

Genau deshalb forderten auch einige Erfurter Studierende das Studierendenwerk Thüringen auf, die TrueFruits-Smoothies nicht mehr auf dem Campus zu verkaufen. Idealerweise stellen Universitäten die Epizentren des Pluralismus und der Toleranz dar. Da ist kein Platz für die öffentliche Vermarktung gesellschaftlicher Ungleichheit. Auch nicht unter dem Deckmantel des Witzes. So entschied sich neben dem Studierendenwerk Bonn und Stuttgart auch das Studierendenwerk Thüringen, die TrueFruits-Produkte auszusortieren. In Thüringen sind nun in jeglichen Einrichtungen des Studierendenwerks nur noch die Restbestände dieser Smoothies in den Regalen. Um eine Alternative wird sich natürlich gekümmert.

Das leichtfertige Argument der Genialität des Witzes hält sich derweil resistent. Innerhalb dieser Argumentation bleibt eines immer unbeachtet: Diese Witze treten nach unten – in Richtung der bereits Marginalisierten. Der für sich beanspruchte Humor des Smoothie-Herstellers funktioniert demnach als Herrschaftsinstrument. Für die bereits dominante Gruppe innerhalb der Gesellschaft ist das natürlich sehr bequem. Aber eben auch nicht besonders raffiniert und gewandt. Es ist einfach, viel zu einfach. Es macht müde und satt. Erfurt ist satt. Satt von euren Smoothies.

Theresa Zängler

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