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Ein Selbstversuch mit der App „Too Good to Go“

Mit der Tupperdose beim Frühstücksbuffet – So spießig kann Nachhaltigkeit sein

Orientalischer Wrap zum Frühstück und Mandarinen mit Knoblauch zum Abendessen? So sah mein Tag aus, an dem es nur Essen von „Too Good to Go“ gab.

Laut des Umweltbundesamtes wird jedes achte Lebensmittel in Deutschland weggeworfen. Dadurch bedingt sind Food-Sharing und Containern in unserer Gesellschaft gerade große Themen, regelmäßig berichten die Medien über Fälle, in denen Leute beim Containern erwischt und dafür bestraft werden. Viele Menschen haben aufgrund dieser häufig eher negativen Berichterstattung große Vorurteile dem Food-Sharen gegenüber. Auch ich habe mich bisher immer zurückgehalten, wenn meine Freunde zum Food-Sharing verabredet waren. Um mich meinen Vorurteilen zu stellen, habe ich mir vorgenommen, einen Tag lang nur vom Food-Sharing zu leben. In Erfurt gibt es dafür verschiedene Möglichkeiten. Entweder man nutzt einen der Fair-Teiler-Schränke (an der FH oder in der Magdeburger Allee 11) oder man geht freitags zur L50. Dort wird eine Food-Sharing-Kooperation mit verschiedenen Groß- und Einzelhändlern organisiert. Der Vorteil dieser Projekte ist, dass oft noch gemeinsam ein Kaffee getrunken wird und man die Treffen nutzen kann, um Bekannte wiederzusehen.

Ich habe allerdings die App „To Good To Go“ genutzt. Bei der App können Läden und Restaurants ihr übrig gebliebenes Essen anbieten, um es nach Ladenschluss zu etwa einem Drittel des ursprünglichen Kaufpreises anbieten zu können. In Erfurt gehören zu den Anbietern viele Bäckereien (diese sind über die ganze Stadt verteilt, weshalb man sich die aussuchen kann, die am besten liegt), aber auch Obstläden und Supermärkte (hier kann man auswählen, aus welcher Abteilung man gerne die übrigen Lebensmittel haben möchte). Außerdem kann man bei einigen Hotels die Reste des Frühstücksbuffets abholen und auch Restaurants bieten übriggebliebenes Mittagessen an. Die Auswahl scheint also auf den ersten Blick groß zu sein.

Hat man sich für eine Speise entschieden, geht alles ganz leicht: Laden auswählen, per Paypal oder Kreditkarte bezahlen und schon ist man um eine günstige Mahlzeit reicher. Die App ist sehr übersichtlich gestaltet, man kann sich beispielsweise auch seine Lieblingsläden aussuchen und diese dann speichern, sodass man erinnert wird, wenn deren Angebot fast ausverkauft ist. Wichtig zu wissen ist allerdings, dass die Mahlzeit immer nur zu einer bestimmten Zeit abgeholt werden kann.

An meinem Food-Sharing-Tag hatte ich um acht Uhr Uni. Zu dieser Zeit hat jedoch noch kein Laden Feierabend, deshalb fing meine Essensplanung schon einen Tag früher an. Wer die App nutzen will, sollte keinen zu vollen Terminkalender haben, sondern muss sich an die Fristen der Geschäfte anpassen und genug Zeit einplanen, um die Läden aufzusuchen, da diese nicht immer im eigenen Viertel sind. Deswegen war ich am Vorabend bei „dean & david“ und habe mir meine Tüte abgeholt. Tatsächlich fiel mir erst in dem Moment auf, dass ich gar nicht genau wusste, was ich zu essen bekomme – als Vegetarierin durchaus schwierig. Die Verkäuferin erklärte mir jedoch, dass ich beim nächsten Mal ruhig vorher anrufen könnte, um mir eine vegetarische Tüte zu reservieren.

Ein Wrap im Hörsaal, das sieht jeder Dozent gerne.

Zurück zu meinem ersten Abhol-Erlebnis: Das erste Mal in einen geschlossenen Laden reinzugehen, um sich sein Essen mitzunehmen, hat sich zunächst komisch angefühlt, doch es hat sich gelohnt. Meine erste Mahlzeit war ein veganer Wrap und ein Gemüse-Curry – mein Frühstück musste schon mal nicht ausfallen – Glück gehabt! Gerade weil mein Wecker schon um halb sieben klingelte, war es schön, dass ich meine Zeit nicht mit Frühstück machen verschwenden musste, sondern einfach mein Essen mitnehmen konnte. Ein Wrap mit Bulgur und Gemüse ist zwar eine etwas unübliche erste Mahlzeit am Tag, aber alternativ kann man sich auch Brot und Brötchen holen.

Mein nächstes Erlebnis war dann deutlich unangenehmer. Ich wollte mein zweites Frühstück in einem Hotel in der Erfurter Innenstadt abholen. Eigentlich hatte ich erwartet, dass ein fertiges Päckchen an der Rezeption auf mich wartet. Zu meiner Überraschung durfte ich mir am Frühstücksbuffet aussuchen, was ich wollte. Was eigentlich ein großer Luxus ist, war mir ziemlich peinlich. Mit meiner Tupperdose zwischen Anzugträgern zu stehen und komisch beäugt zu werden, ist nicht das angenehmste Gefühl. Schließlich habe ich mich verhalten, wie einer dieser schrecklichen Touristen, der vor dem Frühstück seinen Liegestuhl reserviert und dann auch noch Dinge vom Frühstück mitgehen lässt, um später nichts kaufen zu müssen. In der Schlange die Leute über das Konzept „Food Sharing“ aufzuklären, war auch keine wirkliche Option. Gefreut hat sich jedoch meine Mitbewohnerin: Ein ausgiebiges Frühstück für zwei war nach meinem Hotel-Besuch auf jeden Fall drin.

So ein Frühstück am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen.

Mein Mittagessen hatte ich natürlich bereits am Tag vorher gekauft, also konnte ich nach der nächsten Vorlesung einfach mein Curry essen – an diese Bequemlichkeit könnte ich mich gewöhnen.

Die Tupperdosen-am-Hotel-Buffet haben mich schon viele Nerven gekostet, doch immerhin lief es kulinarisch bisher sehr gut – das sollte sich am Abend leider ändern. Zum Abendessen hatte ich mir überlegt, bei einem Gemüseladen frische Zutaten zu kaufen – man kann sich schließlich nicht nur von bereits gekochtem Essen ernähren. In meiner Vorstellung gab es eine bunte Mischung für eine Gemüse-Pfanne mit Kartoffeln und zum Nachtisch vielleicht etwas Obst. Doch ich sollte enttäuscht werden. Ein erster Blick verriet nur, dass wohl hauptsächlich Mandarinen in der Tüte waren. Schlimm wurde es jedoch erst, als ich an der Tüte gerochen habe. Zu meinen Mandarinen gab es eine große Tüte mit bereits geschältem Knoblauch. Obwohl außer mir selber wahrscheinlich keiner der anderen Bahnfahrer den Knoblauch-Geruch bemerkt hat, gab es durchaus schon Situationen, in denen ich mich wohler gefühlt habe.

Leider konnte ich aus dem Obst, Knoblauch und etwas Rucola kein Essen zaubern und so musste ich am Ende des Tages doch noch auf meine Vorräte zurückgreifen. Immerhin habe ich mir einen Mandarinen-Saft gepresst und musste in den nächsten Tagen kein Obst kaufen.
Also merke: Man darf sich nicht darauf verlassen, welche Zutaten man bekommt, da man eben die Reste abholt und so nie weiß, was in der Tüte ist.

An meinem Food-Sharing-Tag gingen etwa zweieinhalb Stunden und 12 Euro für mein Essen drauf – eine Lösung für jeden Tag ist das definitiv nicht. Trotzdem werde ich die App weiterhin nutzen – jedoch gezielter und nicht mehr für jede Mahlzeit. Wer gerne Essen davor bewahren möchte, dass es weggeworfen wird, der sollte die App auf jeden Fall ausprobieren – es lohnt sich!

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