Nun will ich mich eigentlich nur der zeternden Menge anschließen und auf die Deutsche Bahn schimpfen und überhaupt auf die ganze unfaire Welt, denn es ist ja auch alles so teuer und so weiter und sofort. Fakt ist, dass meine Reise kein “Kinderspiel” war, wie es auf der Interrail-Seite angepriesen wird.
Aber das hier soll kein Deutsche Bahn- oder Interrail-Bashing sein. Aber auch keine Lobeshymne auf die grenzenlose Freiheit des Zugreisens. Es ist mein Weg von Erfurt nach Spanien zu kommen und was ich am Ende daraus mitgenommen habe. Mit viel Geduld und immer den gleichen Diskussionen zwischen der Geldfrage und dem Willen, der Umwelt etwas Gutes zu tun.
Und, wann geht der Flug?
Wurde ich mindestens 467 Mal gefragt, bevor ich meine Reise nach Córdoba in Spanien angetreten habe. Wenn ich dann meinte, dass ich den Zug nehme, um 2400km Weg zu bewältigen, folgte meist ein ‘Oh’. Erstaunen; und die blödesten Gespräche, die ich mir bei diesem Thema vorstellen kann. Ich habe schon alles gehört. “Ach da bist du aber ganz im Trend jetzt, wie?; “Also ich könnte mir das gar nicht leisten”; “Weißt du, man kann ja jetzt auch klimaneutral fliegen”. Menschen fühlen sich angegriffen, nur weil ich einfach nicht fliegen will und kompensieren für ein gutes Gewissen lieber ihre Flüge auf Seiten wie atmosfair.
Je mehr sich andere weigern, desto dringender will ich Zug fahren und finde das günstigste Ticket bei Interrail (drei Tage in einem Monat für 168 Euro). “Interrail?, das ist heutzutage einfach nicht mehr attraktiv”, sagt mir die Dame im Reisebüro, als ich dann verzweifelt versuche meine Reise zu planen. Ich glaube, sie hat ganz und gar unrecht. In Zeiten von Fridays for Future und Flightshaming steigt die Nachfrage doch sehr wohl. Aber Interrail hängt zurück, es ist zu teuer und zu kompliziert. Hierzu einmal eine kleine Rechnung zur Veranschaulichung:
Laut des CO2-Rechners von Quarks & Co werden auf 2400km 507Kg CO2 verbraucht, wenn man diese Strecke fliegen würde. Um auf diesen Wert zu kommen, könnte man den selben Weg fast sechs Mal mit der Bahn und rund neun Mal mit dem Fernbus zurücklegen. Gleichzeitig kostet ein spontan gefundener Flug (Frankfurt nach Sevilla über London (wtf??)) 53 Euro und eine Zugverbindung fast das vierfache (201 Euro). Da läuft doch was nicht richtig.
Von meiner romantischen Vorstellung, einfach irgendwann in irgendeinen Zug zu steigen und durch Europa zu reisen, musste ich mich also schon vor Abfahrt verabschieden.
Es fängt schon bei der Suche nach der Reiseroute an. Interrail selbst bietet eine Europakarte an, mithilfe derer man seine Reise planen soll. Darauf werden aber nicht die einzelnen Züge und Umstiege angezeigt und man kann auch nur die größten Städte der jeweiligen Länder auswählen (Sorry, Erfurt!). Websites wie Rome2Rio oder FromAtoB zeigen verschiedene Reiseoptionen und eben auch Zugverbindungen an, da sind sie Interrail ein ganzes Stück voraus. (Kleine Anmerkung zu FromAtoB: Auf der Seite wird mit einem kleinen grünen Pflanzensymbol suggeriert, dass bestimmte Reiseoptionen gut für das Klima wären, also man CO2 einspart. Diese Angaben sind jedoch mehr als fragwürdig. Ein Flug mit 409 kg CO2 Verbrauch wird immernoch mit einem Pflänzchen versehen, das sind aber schon ein Fünftel des jährlich vom Weltklimarat geforderten Höchstverbrauchs (Pro-Kopf-Emissionen).
Ein weiterer Minuspunkt neben Umsteigen und Fahrtdauer am Bahnreisen sind natürlich die Kosten. Auf das eigentliche Ticket (168 Euro) kommen noch einmal notwendige Sitzplatzreservierungen (je Zug zwischen 10 und 45 Euro). Insgesamt habe ich an die 200 Euro bezahlt, obwohl ich ein Interrailticket hatte. Kurz bevor ich losgefahren bin, sehe ich sogar einen Flug von Frankfurt nach Sevilla für 21,99 Euro und das macht mich traurig. Dennoch: Vermeintliche Billigflüge sind auch nicht (mehr) so günstig, denn vor allem mit Gepäck für ein halbes Jahr müsste man deutlich mehr bezahlen.
Mein Ticket: von Dublin nach Leipzig per Expressversand.
Ich gebe es ja zu: Mit meinem Ticket war ich relativ spät dran. Aber wer ahnt auch schon, dass es das einzige ist, was ich nicht an den DB-Schaltern oder als Online-Ticket kaufen kann. Der Poststempel aus Dublin und Expressversand verheißen nichts Gutes: Sehr wahrscheinlich wurde mein Ticket eingeflogen. Cool. Auf Nachfrage erfahre ich von Theresa im Interrail Whatsapp-Chat nur, dass das Ticket momentan noch nicht als Online-Ticket verfügbar wäre, daran aber gearbeitet wird (Ein paar Wochen später sehe ich, dass das Ticket jetzt gar nicht mehr verfügbar ist, sondern nur vier Tage in einem Monat für 185 Euro).
Mit den Reservierungen der einzelnen Zügen verläuft es nicht weniger kompliziert. Es gibt zwar eine Möglichkeit auf der Interrail-Seite ebendieses zu tun, als ich das aber machen will, funktioniert der Link tagelang nicht. Also, ab zum Erfurter Deutsche Bahn Schalter, hier haben die Mitarbeitenden ein ähnliches Problem: Sie können die Seiten der einzelnen Bahngesellschaften in Spanien und Frankreich nicht abrufen und meine Züge kann ich nicht mehr buchen. Ich rege mich ganz doll auf und bekomme am Ende zu hören, dass ich doch fliegen sollte, dass sei eh unkomplizierter. An der DB-Hotline rät man mir, es persönlich am Schalter zu probieren. Dank DB und Interrail bin ich jetzt jedenfalls selbst Expertin, also falls ihr einen heißen Tipp zu günstigen Bahntickets im Spanien und Frankreich braucht, schreibt mir an annka@ungleich-magazin.de.
Die Reise.
Ja ich gebe es zu, ich bin mit schlechtem Gefühl und Stress losgefahren, aber das soll nicht das Ende dieses Textes sein. Die Reise hat sich gelohnt, allein schon für mein gutes Gewissen. Alle reden von Klimaschutz und steigen dann doch in den Flieger. Ich hab das anders gemacht und bin froh. Ich habe für meine Reise mehr als zwei Tage gebraucht und dabei spannende Dinge erlebt. Es gab da einen Hund, der durch sein Schnarchen das ganze Abteil unterhalten hat, einen Mann, der im Zug Gitarre gespielt hat, eine andere Interrailerin, die auf dem Weg nach Salamanca war und mit der ich den ganzen Weg von Marseille nach Madrid verbracht habe. Eine unvergessliche Nacht in Marseille mit Freunden und das sich verändernde Klima, das immer trockener und heißer wurde.
Es ist krass zu merken, wie weit 2400 Km wirklich sind und es ist gut, so langsam an sein Ziel zu kommen. Wenn wir immer nur fliegen und egal welches Ziel in Europa in höchstens 5 Stunden erreichen, dann verlieren wir den Bezug zu Entfernungen und Realität. Um mehr Menschen vom Zugreisen zu überzeugen, gibt es auch Entwicklungen in die richtige Richtung: Das Flugsteuergesetz sieht vor, dass Flüge je nach Strecke ab diesem Jahr bis zu 17 Euro teurer werden (Quelle: Bundesregierung). Um gleichzeitig die Attraktivität des Bahnfahrens zu steigern, wird die Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent gesenkt und somit auch die Ticketpreise um bis zu 10 Prozent günstiger.
Dennoch: Bahnfahren wird auch in Zukunft nicht ansprechender, wenn nicht das Auswählen und Buchen von Zügen einfacher wird. Hier gibt es bereits Privatinitiativen wie die des 19-Jährigen Österreichers Elias Bohun, der mit seinem Vater ein Reisebüro spezialisiert auf Zugreisen gegründet hat. Traivelling bietet momentan online nur wenige Reisepläne konzentriert auf eine Reise ab Wien an. Dennoch sind die Aussichten vielversprechend: Die Angebote enthalten eine Preisschätzung für die Bahnstrecke, eine Angabe der ungefähren Reisedauer und wie oft die Reise im Jahr möglich ist. Diese Angaben nicht mehr auf zehn verschiedenen Seiten in unterschiedlichen Sprachen heraussuchen zu müssen, wäre schon mal ein großer Vorteil. Hoffentlich ziehen die Deutsche Bahn und Interrail in diesen Bereichen nach.
Und nach all dem Gemecker in dem Text distanziere ich mich von der wütenden Masse: Fahrt mit dem Zug. Tut es nicht nur für das Klima, sondern auch für euch – es lohnt sich.