Jedes Jahr werden in Deutschland über 18,4 Millionen Tonnen an Lebensmitteln weggeworfen. Das sind 313 Kilo pro Sekunde. Die Möglichkeiten, diese Lebensmittel vor dem Müll zu retten, verbreiten sich immer mehr. Foodsharing, Containern, in der Mensa „Bändern“ und Apps wie Too Good To Go, das sind die bekanntesten Formate, Lebensmittel vor dem Wegwerfen zu bewahren.
In Erfurt wurde vor einigen Jahren eine Initiative gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, Lebensmittel-Retten gemeinschaftlich zu gestalten. Jeden Freitag düsen ein paar freiwillige HelferInnen zu den verschiedenen Standorten und holen die Lebensmittel ab, die von EinzelhändlerInnen nicht mehr verkauft werden können.
Diese Lebensmittel werden dann entweder weiterverarbeitet oder gegen eine kleine Spende für alle Menschen bereitgestellt. Von 17 bis 19 Uhr öffnet die L50 die Türen für das Food Projekt. Einige der freiwilligen HelferInnen kümmern sich um den sogenannten Innendienst und bereiten Kaffee und Kuchen vor. Alteingesessene ErfurterInnen, Studierende, alt und jung treffen sich bei entspannter Musik in der Wohnzimmeratmosphäre der L50.
Mit dem wöchentlichen Zusammenkommen geht auch eine kritische Auseinandersetzung mit unserem Konsum und dessen Auswirkung einher. Im letzten Jahr sind an das Food Projekt ein bis zwei Tonnen veganer Schmelzkäse und Eiskonfekt angelangt. Das Ausmaß an weggeschmissenen Lebensmitteln wird einem dadurch noch bewusster, das Lebensmittelabholungen in Maßstäben von Tonnen gemessen werden.
Das Food Projekt verfolgt aber nicht ausschließlich das Ziel des Lebensmittel-Rettens. Es geht auch darum, eine gemeinsame Essenskultur vor Ort zu schaffen. Dabei entsteht die Möglichkeit, sich in einem anderen Rahmen außerhalb des Alltagsgeschehens zu bewegen und auszutauschen. Das Angebot wird gern genutzt. Ein regelmäßiger Besucher der Initiative erklärt: „Ich bin schon einige Freitagnachmittage in den Sofas der L50 versackt und habe Gespräche über Erfurt heute und vor zwanzig Jahren, über tagesaktuelle politische Themen, über persönliche Lebensgeschichten, Autismus, die nächste Demo, geführt oder mit dem Schreiner von Helmut Schmidts Büro geredet“
Im Food Projekt ist es egal, ob jemand einen Sozialausweis für die Tafel besitzt, Deutsch redet oder auch nicht, das ganze Leben oder erst seit zwei Wochen in Erfurt wohnt. Auch Menschen ohne Internet und Apps haben hier Zugang. Wichtig ist lediglich ein respektvolles und tolerantes Miteinander. Einige NutzerInnen kommen gar nicht, um sich Lebensmittel zu holen, sondern sehen das Food Projekt eher als Chance, in einem sicheren Raum soziale Kontakte zu knüpfen, unabhängig von sozialem und finanziellem Hintergrund.
Eine der alteingesessenen Erfurterinnen, die sich seit sechs Jahren um den Innendienst kümmert, beschreibt das Food Projekt als schöne, offene Begegnungsstelle und freut sich darüber, dass so viele junge Menschen kommen. Ein angenehmeres Umfeld als bei der Tafel, sagt sie. So können sich verschiedene Menschen begegnen und kennenlernen. Niemand wird hier aufgrund seiner Bedürftigkeit anders behandelt. Soziale und finanzielle Hintergründe sind im Food Projekt nicht zentral. Primär geht es um das gemeinsame Ziel, unserer “Wegwerfgesellschaft” durch ein solidarisches Miteinander in einer Weise entgegenzutreten. Die „Abfälle” der Gesellschaft werden für alle Menschen bereitgestellt.
Alle sind willkommen, die das Food Projekt unterstützen wollen. Das kann zum einen darin bestehen, einfach das Angebot wahrzunehmen, oder sich auch bei Abholungen, Vorbereitungen, Saubermachen zu engagieren. Wenn du Lust hast, dich einzubringen, dann schau doch einfach mal freitags in der L50 vorbei!