Search

<3 Ok Boomer <3 – Queer-feministische Kunst, die Konflikte in Herzchen einrahmt

Was haben das Nike-Logo, Magrittes Pfeife und ein Herzchen gemeinsam?

Eigentlich nichts, bis man sie in der Ausstellung mit dem Titel <3 Ok Boomer <3 in einem der Gemälde kombiniert sieht. Bis zum 05.02.2023 ist in der Galerie Waidspeicher die erste Ausstellung in Erfurt der Künstler:in Götz Sophie Schramm zu sehen. Thematisch werden vor allem toxische Männlichkeit und Generationenkonflikte behandelt – allerdings nicht, um Abstände zu vergrößern, sondern als Aufforderung, aufeinander zuzugehen.

„Ok Boomer“ ist ein Ausdruck, der sich in den letzten Jahren in den Sozialen Netzwerken und besonders in Internet-Memes entwickelt hat. Er bezieht sich auf die Unzufriedenheit jüngerer Generationen mit politischen Entscheidungen der Babyboomer, also denjenigen, die zwischen 1955 und dem Ende der 60er Jahre geboren wurden. Doch schon die Herzchen-Umrandung des Begriffes zeigt, dass es hierbei nicht um eine rücksichtslose Auseinandersetzung mit diesen Themen geht, sondern dass ein Gegenentwurf dazu geboten werden soll, der sich für Liebe und Respekt und gegen Aggressionen einsetzt. Die Künstler:in bietet für die Ausstellung eine queer-feministische Perspektive auf das Zeitgeschehen und die aktuell ausgetragenen Konflikte zwischen Generationen, die durch die Digitalisierung vor allem im Internet stattfinden und fordert zum Aufeinander-Zugehen auf, über Differenzen und die Verwendung altmodischer Emojis hinweg.

Ausstellungsansicht <3 OK BOOMER <3 Kunstmuseen Erfurt/ Galerie Waidspeicher. Foto: © dotgain.info

Memes und Logos auf der Leinwand

In der Ausstellung fällt vor allem der Kontrast zwischen den digitalen Themen und der analogen Darstellungsform auf. Beim Betreten der Räumlichkeiten finden sich Besucher:innen in einem dichten Dschungel aus Bildstücken und Symbolen des Internets wieder, in denen sie sich nur zu gerne immer weiter verheddern. Die Titel und Beschreibungen der Gemälde verhelfen zu einem ersten Zugang und geben Informationen über die unbekannten Symboliken. Denn in der Ausstellung ist angesichts der in den Gemälden dargestellten Basketbälle, Pandas, Logos von Amazon oder der Agentur für Arbeit, abgewandelten Motive der Kunstgeschichte von Caravaggio zu Beuys, des Symbols für Nicht-Binarität, Meme-Hunde, Smileys und Super Mario-Symbole schnell mal der Überblick zu verlieren. Zum Glück hilft ein Begleitblatt dabei, nichts zu verpassen und einige tiefere Bedeutungsebenen verstehen zu können, während gleichzeitig vieles für die eigene Interpretation offenbleibt. Durch die Vielseitigkeit der Darstellungen können Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen und Interessen Zugang zu Themen finden, die normalerweise nicht unbedingt im Zentrum der gesellschaftlichen Diskurse stehen.

Götz Sophie Schramm in der Ausstellung. Foto: © Dirk Urban, Stadtverwaltung Erfurt

Was normalerweise auf einem mobilen Endgerät mit einer einfachen Fingerbewegung weitergewischt werden kann, wird in der Ausstellung festgehalten und neu verknüpft. So zusammengewürfelt die Werke teilweise aussehen, steckt doch viel Recherchearbeit in jedem einzelnen. Die Memes und Logos wurden von der Künstler:in nicht einfach so aus dem Internet übernommen, sondern auf Hintergründe und Entstehungsgeschichte analysiert und thematisch treffend in ein Kunstwerk eingebunden. Bis zu 400 Stunden Arbeit stecken in den einzelnen Gemälden, auch weil die Trockenzeit der Farben viel Zeit beansprucht. Götz Sophie Schramm malt in der Impasto-Technik, bei der die Ölfarbe besonders üppig aufgetragen wird. Wenn man die Bilder von der Seite betrachtet, kann man die festgetrocknete Farbschicht auf der Leinwand erkennen. Das größte Bild der Ausstellung konnte aufgrund der langen Trockenzeiten sogar erst in der Galerie selbst fertig gestellt werden. Die Werke wurden eigens für die über eineinhalb Jahre geplante Ausstellung zusammengestellt und teilweise sogar extra dafür angefertigt.

Verknüpfung von Kunstgeschichte und Pop-Culture

Die Gemälde üben unterschiedliche Arten von Kritik, wie beispielsweise am Konzept von Kunst als Konsumgut durch die Darstellung des Logos von Gagosian, eines der weltweit profitabelsten Netzwerke im Kunsthandel, welches gemeinsam mit dem Feel Guy-Meme abgebildet wird. Viele der Symbole und Verknüpfungen werden vor allem durch den Titel deutlich. So wird zum Beispiel die Farbwahl von Pink zu hellem Rot in einem der Bilder erst mit der Beschriftung „RADIKALE ZÄRTLICHKEIT – WARUM LIEBE POLITISCH IST“ durch die Verbindung zu Şeyda Kurts Bestseller mit demselben Titel, dessen Cover eben diese Farben zieren, verständlich. Auch werden Betrachtende in einem der Gemälde vor allem den verträumt blickenden Goethe erkennen, aber vielleicht nicht sofort die Enten vom Tocotronic-Cover zu seiner linken oder den rosa verfärbten Frankfurter Abendhimmel im Hintergrund. Damit einher geht die spannende Auseinandersetzung mit der Frage, wie ein Historienbild in der heutigen Zeit aussehen kann.

Ausstellungsansicht <3 OK BOOMER <3 Kunstmuseen Erfurt/ Galerie Waidspeicher. Foto: © dotgain.info

Eröffnungsfeier, Lesung und queere Filmnacht in der Galerie

Die Ausstellung <3 Ok Boomer <3 findet in Kooperation mit dem Queeren Zentrum Erfurt statt. Kurator Philipp Schreiner legt großen Wert darauf, dass lokale Einrichtungen in die Ausstellung eingebunden werden und die ausgestellten Themen für möglichst viele Menschen zugänglich sind. Um die Thematiken noch anschaulicher zu gestalten und neue Blickwinkel zu schaffen, fanden im Rahmen von <3 Ok Boomer <3 einige Veranstaltungen statt. Nicht nur die Eröffnung wurde in der Galerie mit separatem Dancefloor gefeiert, sondern auch eine Lesung mit dem queeren Literaturmagazin Transcodiert wurde organisiert, bei der Herausgeber des Magazins, Biba Nass und Schriftsteller:in Nele Müller bereits veröffentlichte, aber auch brandneue Texte zum Queer-Sein vor der Kulisse der Ausstellung vortrugen. Auch präsentierte das Queere Zentrum den Film „Alle Farben des Lebens“ mit anschließender Diskussionsrunde, geleitet von Medien- und Filmwissenschaftlicher Robin Saalfeld der Universität Jena, in der Galerie.

Als letzte Veranstaltung findet am 14.01.2023 um 18 Uhr ein Gespräch mit Götz Sophie Schramm in der Ausstellung statt, bei dem es vor allem um den Schaffensprozess der Kunstwerke geht. Die Veranstaltung ist kostenlos- Für Interessierte kann <3 Ok Boomer <3 noch bis zum 05.02.2023 besucht werden und lädt zum Schauen, Suchen, Finden, Nachlesen und Nachdenken ein.

Write a response

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

*

Close
Ungleich Magazin © Copyright 2019. All rights reserved.
Close